Begründung vom 9.12.1995:
Welche Schwierigkeiten gab es anfangs beim Griechenland-Reisebericht?
  1. Voller Euphorie wollte ich den schönen Reisebericht dieser grandiosen, sechswöchigen Radreise durch fünf Länder in's Internet legen. Doch das postscript-file inklusive der 50 Bilder ist rund 17.6 MB groß! Zu groß, um mal eben auf den HyperG-Server zu legen.
  2. Die nächste Idee war, die Routine
    latex2html
    zu benutzen, die Latex-sourcen so umzuwandeln ohne viel Aufwand und die Bilder einzeln nachzubearbeiten mit dem Hintergrund, den Speicherbedarf zu reduzieren. Dies wollte ich mit den Routinen
    gi.m pic.gif | ppmquant 16 | pp.m | pgmnorm | ppmtogif > pic_new.gif
    tun. Doch die Bilder blieben im Schnitt 20 KB groß, so daß bei 50 Bildern und 160 KB ASCII-Text ein Speicherbedarf von 1.16 MB erforderlich blieb.
  3. Dann habe ich ein Latex-source erstellt, der komplett ohne Bilder arbeitet und nur noch 145 KB groß ist. Diesen allerdings auf dem HyperG-Server abzulegen, erschien mir immer noch zu groß, zumal ich nur 'Gast' auf diesem Server bin.
  4. Eine gzip-te Version dieses files war dann immer noch rund 60 KB groß. Doch jetzt sah ich irgendwie nicht mehr den Zusammenhang zwischen WWW und der Ver*öffentlich*ung des Reiseberichts. Es hätte mir ein Interessierter ebensogut eine Email schicken können, die ich dann wiederum beantwortet hätte.
  5. Dank Axel Boldt tue ich noch einmal über eine wirkliche Ver*öffentlich*ung im WWW nachzudenken und scheue keine Mühen ...
  6. ... so daß es jetzt den grandiosen Reisebericht im WWW zu lesen gibt! Die Bilder sind noch in Bearbeitung:-|

Der große Traum

(Ein Reisebericht von Hans Dietmar Jäger)

Mein Dank an:

für viele nützliche Hinweise aller Art.
Mein besonderer Dank gilt zuletzt aber meinem Freund

der nicht unerheblich am Entstehen und Gelingen des Reiseberichtes beteiligt war!

Paderborn, im März 1995
Komplett erstellt mit LaTeX
Veröffentlichungen etc. - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors

Tourverlauf (Karte, 23kb)
Arkadien (Ausschnitt, 28kb)

Die Reiseabschnitte:

Teil 1: Die Vorbereitungen und Deutschland

Als Liebhaber der südländischen Lebensweise, der alten und antiken Kulturstätten und der klimatischen Verhältnisse zieht es mich seit 10 Jahren immer wieder dorthin: Marokko, Spanien, Südfrankreich, Italien und Griechenland habe ich teils mit der Bahn, teils auch schon mit dem Rad bereist. Jetzt fand ich in meinem Freund Knut Barten einen Gleichgesinnten für die Tour, die allen bisherigen Unternehmungen die Krone aufsetzen sollte: Eine Radtour, die uns ohne feste Zeitbegrenzung durch Deutschland, Frankreich, die Schweiz, Italien und Griechenland führte!

Harz und Brocken

Der eigentlichen Radtour, die am 16.7.94 begann, 41 Tage dauerte und 2800 km lang war, haben wir eine Proberadtour vorgeschoben. Vom 20.5. bis 23.5.94 sind wir auf einem Rundkurs von Paderborn für 430 km durch den Harz gefahren [1][2]. Als höchste Erhebung hatten wir den Brocken mit 1142 m im Visier Knut am Brocken <3>, Steigungen bot das Gelände genügend, Zelt, Kocher, Räder und technische Ausrüstung konnten wir in Ruhe testen und die zum Teil ergiebigen Regenschauer stellten sowohl Packtaschen als auch Durchhaltevermögen und Kameradschaft auf die Probe. Nach diesem erfolgreichen Test konnte es dann richtig losgehen!

Da mir die einzelnen Gegenden und Ziele, die in unserer groben Reiserichtung lagen, fast alle bekannt waren und Knut die südlichen Gefilde eher vom Strand her als vom Sattel kannte, übernahm ich mit dem Sichten der Landkarten und diverser Merian- und GEO-Hefte sowie mitgebrachter Literatur die Routenplanung [1][3-29]. Dabei versuchte ich, Knut alle möglichen Höhepunkte und Streckenabschnitte so neutral vorzustellen, daß er sich ohne wesentliche Beeinflussung ein Bild machen konnte. Zusammen haben wir dann unsere eigenen Neigungen in Übereinstimmung gebracht und konnten uns auf eine Route einigen, die uns beiden gleichermaßen zusagte [3]:

(Achtung: Die links in den folgenden 5 Abschnitten referenzieren die bezeichnete Stelle im Bericht!)

Die Planung

Da wir möglichst viel Zeit im Süden verbringen wollten, haben wir uns auf eine schnelle Durchreise Deutschlands geeinigt [4]. Die sollte uns von Paderborn strikt nach Süden über Gießen, Frankfurt, Heidelberg und Karlsruhe am Rhein entlang, durch Straßburg und Breisach nach Basel führen.

Durch die Schweiz sollte es von Basel in südöstliche Richtung über Luzern, am Vierwaldstätter See entlang über den St. Gotthard nach Lugano gehen [8].

In Italien wollten wir über Como mit Mailand unser erstes Ziel erreichen. An der Adda und über den Po planten wir über Parma, Modena, an Bologna vorbei Florenz und durch das Herzen der Toskana Siena und weiter über Arezzo, Fano und Ancona an der Adria zu erreichen [11].

Schwieriger war die Planung eines geeigneten Kurses schon in Griechenland [18]. Mit der Fähre wollten wir nach Igoumenitsa im Nordwesten gelangen. Von dort sollte es nach Osten über Ioanina, Metsovo und den Katara-Paß zu den Meteora-Klöstern gehen. Die nächste Station hieß Delfi nahe am Golf von Korinth. Und von dort planten wir die Reise nach Athen, über die Insel Ägina auf den Peloponnes nach Epidauros, Nauplia und quer durch Arkadien nach Olympia.

Von Patras aus planten wir die Fährfahrt nach Triest in Italien, um die Reise von dort über den Brenner und München mit dem Zug zu beenden [28][29][4].

Nach dieser guten Vorbereitung und genug Tourenerfahrung bei Knut und mir, nach einer Verabschiedungsgrillparty Grillabend <4> mit Freunden - welche griechische Spezialitäten bot - und der Hitzeperiode der letzten Tage konnte es losgehen!

1. Tag (Mit Pannen bis Lollar)

Gestartet sind wir am 16.7. in Paderborn. Dabei setzte Knut auf sein Trekkingrad der Marke Peugeot mit 21-Gang-Schaltung. Ich selbst fuhr mein fünf Jahre altes Motobecane Rennrad mit 12-Gang-Schaltung, welches ich tourentauglich ausgestattet hatte. Im Gepäck befanden sich Spirituskocher und komplette Küchenausstattung, ein Drei-Personen-Igluzelt, ein Werkzeugsatz inklusiv Ritzelabnehmer und Speichen, zwei Schlafsäcke, eine Zwei-Personen-Isomatte, drei Kameras mit diversem Zubehör und entsprechende Kleidung nebst Gore-Tex-Jacken. Dies alles verstaut in vier Packtaschen und auf den Gepäckträgern der beiden Räder ergab ein Gesamtgewicht von 36 kg. Auf Packtaschen vorne konnten wir also gut verzichten! Endlich ging es los! Daß heißt, nachdem mein Schutzblech vorn instandgesetzt wurde. Die erste Panne schon vor der Abfahrt, wenn das mal gut geht.

Bei gutem Wetter geht es zunächst durch leicht hügeliges Gelände. Die Stimmung ist äußerst gut. Die ganze herrliche Tour liegt ja noch vor uns! Doch schon nach 40 km in Scherfede ist uns ganz anders zumute, als ich bei Knut einen Speichenbruch bemerke. Beim Auswechseln vermuten wir ob der Oberfläche der Bruchstelle, daß die Speiche nicht erst jetzt gebrochen sein konnte. Das hieße aber, daß die Speiche schon vor Abfahrt defekt gewesen sein mußte! Naja, der Schaden ist behoben, es geht nach einer kleinen Stärkung weiter. Die Stimmung steigt, der Speichenbruch ist fast vergessen. Nahe Schmillinghausen nach 20 km jedoch dieses metallisch klickende Geräusch, welches einen Speichenbruch verkündet. Wir haben uns beide sicher verhört. Doch beim Kontrollieren müssen wir mit Schrecken feststellen: Die zweite Speiche auf 60 km! Nach einigem Abwägen entscheiden wir uns für Reparieren, Weiterfahren und Hoffen. Die schöne Landschaft lenkt uns ab und so fahren wir nach Arolsen in's Twistetal und hinter Korbach in's Edertal. Letzteres bietet auf der Bundesstraße dank des Mehrzweckstreifens genug Platz, wenig Verkehr und reizvolle Landschaft obendrein. Zügig geht es durch Frankenberg weiter auf der B 252 in's nächste Tal hinein. Als Ziel haben wir einen Campingplatz in Marburg in's Auge gefaßt. Den erreichen wir dann nach Fragen auf verschlungenen Wegen: Er liegt direkt neben der Autoschnellstraße! Und da dazu die Preise eher unverschämt sind, entschließen wir uns, den nächsten Campingplatz auf unserer Route anzufahren. Nach einigen Hügeln und kurzem beschilderten Herumkurven erreichen wir in der Abenddämmerung den Campinglatz in Lollar nördlich von Gießen. Nach dem Duschen kochen wir noch etwas Feines und setzen uns dann in den Biergarten der platzeigenen Gastwirtschaft, trinken ein heimisches Bier und bekommen auch noch die neuesten Ergebnisse der Fußballweltmeisterschaft mit.

(Wie auf der ganzen Tour wollten wir besonders auf Produkte aus der Region zu achten. Das galt sowohl für das Bier und den Wein als auch für die sonstigen Lebensmittel! Nach einer schlechten Erfahrung auf der letztjährigen Radtour, bei der mein Freund Torsten einen Kuchen aus Soest - keine 50 km von Paderborn entfernt - in Schottland erwischt hatte, schaue ich nicht nur was wieviel kostet, sondern auch, woher es kommt! Wenn ich mich recht erinnere, haben wir später in Italien beim genauen Hinsehen Kuchen aus Salzkotten - rund 10 km von Paderborn entfernt - entdeckt!)

2. Tag (Durch Taunus bis Heidelberg)

An diesem zweiten Tag unserer Tour sieht das Wetter schon nicht mehr so gut aus. Die Hitzeperiode zuvor hatte uns verwöhnt. Nach dem Frühstück mit Brötchen vom Campingplatz geht es für uns nach Gießen und von dort über kleine Landstraßen durch Butzbach nach Bad Nauheim. Hier pausieren wir etwas länger im Kurpark, der direkt am Weg lag. Dabei planen wir die Weiterfahrt und entschließen uns, Frankfurt weiträumig zu umfahren. Beim Losfahren allerdings beginnt es schon zu nieseln. Und kurz vor Bad Homburg plagt uns wieder eine von Knut's gerissenen Speichen. (Im Folgenden will ich nicht jeden Speichenbruch detailreich erwähnen. Es sei nur so viel gesagt: Es waren reichlich Speichen, die gewechselt werden mußten und ein speichenbruchfreier Tag revanchierte sich mit umsomehr defekten Speichen am nächsten!) Zu unserem Glück fängt es erst später richtig an zu regnen. Doch zu unserem Unglück geraten wir allerdings bei Königstein in die Ausläufer des Taunus. Von diesen Umständen arg gefrustet, genehmigen wir uns eine Pause in einem türkischen Imbißrestaurant und stärken uns bei einem warmen Gericht und einem Glas Bier. Danach bessert sich das Wetter etwas und wir fahren Richtung Rüsselsheim weiter. Hier verfahren wir uns das erste Mal, da die Straßenschilder den Weg nur für Autofahrer über eine Autostraße weisen. Nach mehrmaligem Nachfragen und Herumfahren finden wir einen Fahrradweg, der nicht ausgeschildert war. Wir orientieren uns am Sonnenstand - oder an dem, was man durch die Wolken vermutet - und radeln durch endlose Industrieanlagen, den Zeugen unseres modernen Zeitalters. Auch danach auf unserem Weg nach Groß-Gerau sind wir wie Spürhunde auf - wieder äußerst schlecht bis gar nicht beschilderte - Radausweichstrecken angewiesen, da die Straße als Autostraße ausgewiesen ist.

Doch jetzt, als sich das Wetter zu bessern beginnt und der Wind kräftig von Norden in den Rücken bläst, rückt unser Etappenziel Heidelberg wieder in erreichbare Ferne. Von Nähe gar nicht zu reden, da es noch 45 km zu fahren gilt! Doch angespornt durch die Weinberge zur Linken (mittlerweilen befinden wir uns auf der in [7] als landschaftlich schön ausgewiesenen Bergstraße), eine die wenigen Wolken am Himmel orange färbende Sonne zur Rechten und den ansonsten strahlend blauen Himmel lasse ich mich vorne fahrend zu einem schnellen Wiegetritt hinreißen, der das Tempo auf 35 km/h hochschnellen läßt. So geht die Fahrt durch Bensheim, Heppenheim, Weinheim - alles Namen, die nicht nur Weinkennern bekannt sind - und Dossenheim nach Heidelberg. Hier übernachten wir bei meinem Bruder mit Frau samt Kind, welches gerade vier Tage alt geworden ist! Dank der Wetterbesserung sind an diesem Tag die 175 km in nur 11:30 Stunden möglich geworden. Und wie am Vortag liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit bei rund 22 km/h.

3. Tag (Schlösser in Heidelberg und Bruchsal)

Während Knut's Hinterrad zum kompletten Neueinspeichen und Zentrieren bei einem Händler bleiben muß (leider entscheidet sich Knut für die stabileren 2,3 mm-Speichen, doch dazu später mehr), nehmen wir uns für den dritten Tag einen Stadtrundgang durch Heidelberg vor! Bei trübem Wetter bummeln wir vom Stadtteil Handschuhsheim zum Philosophenweg und den entlang, von dem man einen guten Blick über den Neckar hinweg auf die Alte Brücke mit Karlstor (18. Jahrhundert), die Altstadt und das Schloß (15./16. Jahrhundert, ehemals Burg aus dem wohl 12. Jahrhundert) hat.

Nach telefonischer Rücksprache mit dem Fahrradhändler am Nachmittag erfahren wir, daß das Rad fertig ist. Und das ist der Startschuß für unsere dritte Etappe, obwohl uns mein Bruder eine weitere Übernachtung mit festem Dach über'm Kopf bei diesem trüben Wetter anbietet. Am späten Nachmittag brechen wir auf, fahren durch Leimen und Wiesloch Richtung Karlsruhe, geraten schon bald in Nieselregen und nutzen dies zu einer Pause in Bruchsal, wobei wir uns die dortige Barockschloßanlage (1722) (Bild von Knut) <5> mit Schloßgarten (1746) ansehen. Bei der nächsten Wetterbesserung brechen wir allerdings sofort auf, um den angepeilten Campingplatz in der Nähe von Karlsruhe vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Dieser ist zwar gut ausgeschildert, doch leider liegt er nicht nur an einer Autoschnellstraße, sondern auch noch an einem Bahngleis, über welches die Nacht hindurch die Güterzüge rattern! Wenigstens ist im Preis von 12 DM die heiße Dusche inklusiv! Und nachdem wir auf den zwar nur 57 km tüchtig naß geworden sind, haben wir uns die verdient! Nach einem guten Abendessen vor dem Zelt und einem Bier dazu schlafen wir hervorragend!

Teil 2: Der Abstecher nach Frankreich

4. Tag (Panne am Rhein und Ärger mit der JH)

Für den vierten Tag entscheiden wir uns, hinter Rastatt die Grenze nach Frankreich zu passieren, um uns auf der Fahrt durch die dortigen Dörfer und Städtchen auf unsere Stippvisite in Straßburg einzustimmen. Leider gelingt uns das nur unzureichend, da uns kurz nach dem Grenzübertritt ein solcher Regenschauer erwischt, daß wir selbst unter dem weiten Vordach einer Scheune durch den vom Wind gepeitschten Regen klitschnaß werden und langsam anfangen zu frieren. So entschließen wir uns, nach dem Abklingen des Gewitters sofort loszufahren. Auf der sehr ruhigen Nebenstrecke kommen wir kaum vorwärts, da wir uns immer wieder bei kurzen Schauern unterstellen müssen. Zum Glück ist es bei unserem Aufenthalt in Straßburg trocken. Nach einer kleinen Stärkung bummeln wir ein wenig durch die Stadt und schlagen uns durch den enormen Touristenrummel bis zum Münster durch. Dann geht uns das Schieben und Stoßen - wir noch mit den Rädern an der Hand - auf den Geist und wir verlassen die Stadt südwärts.

Regenwolken ziehen bedrohlich über unsere Köpfe hinweg und nach kurzer Zeit gießt es in Strömen. Dieser Regen entwickelt sich zu einer Art Dauerregen! Das heißt, es hört eigentlich zu keinem Zeitpunkt mehr auf. So sind wir schon bald klitschnaß. Nur die schnelle Fahrt auf den Rädern hält unsere Körper unter den Gore-Tex-Jacken einigermaßen warm. Und obwohl wir schon lange Zeit am Rhein entlangfahren, bekommen wir ihn nicht zu Gesicht. Da reicht es uns und wir fahren, als es mal nicht so stark regnet, auf den Damm, neben dem die Straße die ganze Zeit verläuft und der den Rheinseitenkanal <6> (hier verläuft der Kanal im alten Strombett des Rheins) in seiner Form hält. Jetzt haben wir zwar den Rhein gesehen, doch der Regen fängt wieder an, uns kontinuierlich mit frischem, kalten Wasser von oben zu versorgen. Es ist eine traurige Fahrt und nur weil Knut und ich auf dem Rad so gut harmonieren - wir halten uns mit allerlei Scherzen bei Laune oder schweigen uns einfach nur an - denken wir nicht an eine Umkehr. Aber die traurige Stimmung steigert sich noch, als ich bemerke, daß mein Hinterrad in Kurven nicht spurstabil läuft! Ein schleichender Platten mit einem Loch, welches man kaum findet, oder ein Speichenbruch auch in meinem Hinterrad täte uns bei dem Regen jetzt noch fehlen! Doch der Luftdruck ist ok. Nur löst sich das Gewebe an manchen Stellen und die Karkasse treibt ein lustiges Spiel mit der Selbstauflösung! Mein Gott, und das mitten in der Wallachei (D 20 Ecke D 424) in einem Land, dessen Sprache wir kaum sprechen und dessen Währung wir nicht besitzen. Nur gut, daß Knut in seiner Werkzeugabteilung Isolierklebeband dabei hat. So umwickele ich Reifen samt Felge und senkte den Luftdruck, damit der nicht die Selbstauflösung weiter unterstützt, während Knut mit Hilfe der Landkarte auf der deutschen Rheinseite ein geeignet großes Nest mit Jugendherberge aufzutreiben versucht. Dies gelingt ihm dann auch in Form von Breisach. Nur gut, daß wir just an einer Brücke über den Rhein angelangt sind und uns läppische 16 km von Breisach trennen. Ich bete während der ganzen Fahrt zu dem Reifengott, daß die Karkasse durchhalten solle, da sich das Isolierklebeband nur ein paar Kilometer gegen den Straßenbelag durchsetzen kann.

Der Regen hört jetzt zum Glück auf und nach einer telefonischen Anmeldung sind zwei Betten in der Jugendherberge reserviert! Da kann ja nichts mehr schiefgehen, denken wir. Doch es kommt anders. Kurz gesagt: Für eine Übernachtung in der Jugendherberge inklusive Frühstück - welches man nicht abbestellen kann - und Jugendherbergsschlafsack - da wir unsere eigenen Schlafsäcke nicht benutzen dürfen - müssen wir zusammen 56 DM bezahlen! Mit im Preis inbegriffen ist eine geplante Übernachtung in einem gemischtgeschlechtlichen 8-Bett-Zimmer - welche wir abwenden können - und einer Schließzeit von 22 Uhr - welche wir nicht abwenden können - die uns dann zu einem hastig eingenommenen Abendessen in dem Dorf nötigt! Soweit zum Thema deutsche Jugendherberge und vierter Tag der Tour! (Nebenbei sei nur noch erwähnt, daß mich während des Frühstücks unser Sitznachbar mit Namen ansprach! Er ist ein Komilitone höheren Semesters an der Uni Paderborn im selben Fachbereich.)

5. Tag (Der erste 'Paß')

Der fünfte Tag beginnt mit dem Aufstöbern eines Fahrradladens im Dorf. Dieser ist zwar erstaunlich gut sortiert, doch meine Vorliebe für Reifen der Marke Hutchinson teilt er nicht. Er verweist auf die Nähe zur Radsportnation Frankreich und empfiehlt mir einen Michelin. Meine favorisierte Dimension - nämlich 22 mm - hat er nicht vorrätig und so steige ich auf 20 mm um. (Vorne fahre ich seit jeher 20 mm, doch hinten für's Gepäck ist mir ein 22 mm-Reifen lieber.) Nachdem sich Knut noch mit 2,3 mm-Speichen eingedeckt hat, geht es für uns am Rhein - den wir leider wieder nicht sehen können - entlang Richtung Basel.

Teil 3: In der Schweiz über die Alpen

Die Grenzformalitäten der Beamten beschränken sich auf beiden Seiten auf ein freundliches Durchwinken. So stoßen wir gleich in's Herz der Stadt Basel vor und suchen ein ruhiges Plätzchen für die Mittagsrast. Als wir gestärkt und motiviert waren machen wir uns daran, Basel zu verlassen. Dabei lassen wir unsere Räder über den Marktplatz rollen, der vom buntbemalten Rathaus aus dem 16. Jahrhundert beherrscht wird und versuchen, die B 2 Richtung Liestal zu nehmen. Doch das ist im Gewühl der Ausfallstraßen nicht so einfach. Als wir einige Kilometer aus der Stadt heraus sind, weisen uns aber die Hinweisschilder den richtigen Weg. Wir können durchstarten, da wir bis Luzern die B 2 nicht verlassen wollen. Schon in Liestal werden wir allerdings von der Straße heruntergelotst, da sie mal wieder für den motorisierten Verkehr reserviert ist. Doch auf der Karte sehen wir, daß es sich um einen Autobahnzubringer handelt. Das heißt, ab der Anschlußstelle können wir auf eine ruhigere B 2 hoffen! Und so ist es auch: Die Autobahn folgt unserem Weg parallel bis Luzern. Derweil stellen wir uns auch auf die erste Bergetappe ein, da wir die Rheinebene endgültig hinter uns gelassen haben. Die Straße folgt dem Flüßchen Ergolz, doch um eine Abfahrt handelt es sich bisweilen nicht. Langsam steigen wir an, um nach einigen Windungen ohne große Mühen den Hauenstein mit 691 m zu erreichen. Unser erster Paß! Die folgende Abfahrt hinunter in's Aare-Tal verläuft dann etwas heftiger und entschädigt für den Anstieg. Weiter folgen wir einem Flüßchen nach Zofingen, einer beschaulichen kleinen Stadt mit reizvollem Ortskern, aus dem der Durchgangsverkehr herausgehalten wird. Wir entschließen uns spontan zu einer kleinen Pause und lassen unsere Räder durch den Ort rollen.

Die Fahrt geht aber nach kurzer Pause schon weiter durch Reider und Dagmarsellen, zwei ebenso kleinen und schönen Orten, die sicher auch einen Aufenthalt wert wären. Doch die bedrohlichen Gewitterwolken lassen uns eilen und über Knutwil nähern wir uns unserem Campingplatz in Nottwil am Sempacher See. Der ruhige Platz liegt abseits des Ortes direkt am See. Während sich Knut als prädestinierter Tour-Koch um das Essen kümmert und ich dusche, vernehme ich ein eigenwilliges Prasseln auf dem Dach. Ich will nicht glauben, daß es jetzt zum Abend noch in Strömen gießt.

Knut kocht <7> derzeit unbeirrt im Schutz des Überzeltes im Eingangsbereich weiter. (Ich kenne diesen Weg über die Alpen zwar schon, doch für Knut ist es die erste Alpenüberquerung. So wünsche ich uns etwas besseres Wetter. Denn der Himmel war den ganzen Tag verhangen und wirkte trübe. Zum Radfahren ist das Wetter zwar ok, doch das Auge fährt ja mit. Und gerade für den nächsten Tag hoffe ich auf Besserung, da wir den Vierwaldstätter See umrunden wollen!) So entschließen wir uns auch vor dem Schlafengehen, in Luzern Knut's Hinterrad zum Nachsehen und gegebenenfalls Zentrieren zu geben, in der Zeit durch die Stadt zu bummeln und dem Wetter Zeit für eine Besserung zu geben, denn schlechter kann es nach meiner Ansicht nicht mehr werden!

6. Tag (Vierwaldstätter See und Axenstraße)

Am sechsten Tag dann rollen wir über ein paar Hügel die verbleibenden knapp 20 km nach Luzern herein. Sofort macht Knut eine Fahrradwerkstatt ausfindig und man einigt sich schnell. Unser Auftrag wird vorrangig behandelt und wir können auf die Reparatur warten. Wir fahren dann mit den Rädern weiter in die Stadt und stellen sie bei einem Kiosk ab. Hier bitten wir den Verkäufer, auf die Räder ab und zu ein Auge zu werfen, da wir das gesamte Gepäck an den Rädern lassen. Die Packtaschen sind mit kleinen Vorhängeschlössern an den Gepäckträger geschlossen, die Räder wiederum mit Bügel- und Spiralschloß an einen Baum und die Wertsachen nehmen wir mit. Ein mulmiges Gefühl bleibt zuerst aber trotzdem, zumal der Verkäufer ausdrücklich keine Garantie übernehmen will, was wir natürlich auch nicht verlangen können.

(Es sei nur bemerkt, daß wir mit dieser Art, uns der Rädern zu entledigen, gut gefahren sind und uns auf der gesamten Reise nichts weggekommen ist. Sobald man dies einige Male praktiziert hat, belasten weder Räder noch Gewissen das Herumstreifen.)

In Luzern ziehen wir dann durch die Altstadt - in der sich nicht wenige andere Touristen aufhalten - und begeben uns auf die historische überdachte Kapellbrücke, die Luzern berühmt gemacht hat. Sie stammt samt achteckigem Wachtturm aus dem 14. Jahrhundert und ist die älteste Holzbrücke Europas. Leider wurde die Brücke vor genau einem Jahr durch einen Brand fast vollständig zerstört und man sieht ihr jetzt das Flickwerk des Wiederaufbaus an. Zumal die zerstörten Bildtafeln des Bilderzyklus aus dem 17. Jahrhundert im Gebälk nur unvollständig durch Photoreplikas ersetzt wurden. Naja, der Bummel neigt sich dem Ende zu, das Wetter hält sich und es scheint, als bessert es sich eher. So gehen wir zu den Rädern zurück und planen unsere Weiterfahrt:

Auf der B 2 nach Küssnacht und weiter auf der B 2b durch Weggis, Vitznau, Gersau und Brunnen die Axenstrasse nach Altdorf. Die gesamte Strecke fährt man mehr oder weniger nah am Vierwaldstätter See entlang. Die Straße hat mal Platz am Ufer, mal schlängelt sie sich dicht am Berghang auf und ab und führt - wenn man die Ortsumgehung verläßt - durch reizvolle Orte. Und das Atemberaubende an dieser 60 km langen Etappe ist, daß sich rechter Hand hinter dem See ein phantastisches Alpenpanorama zeigt! Nach jeder Biegung des Weges gibt es eine andere Sicht, kleine Gipfel schieben sich vor die größeren Berge, dort tut sich eine Schlucht auf und wieder ist der Blick frei auf einen anderen Teil des verzweigten Sees! Das Wetter bessert sich zusehends, die Wolkendecke reißt auf und die Sonne blinzelt hindurch. Da die Straße am See eigentlich keine Höhenmeter zurücklegt, ist kaum Kraft nötig und man kann sich voll auf die lockere Fahrt, die Bewegung auf der schmalen Uferstraße und die vorbeiziehende Szenerie konzentrieren!

In Brunnen gebieten wir dem Eilen dann Einhalt und entschließen uns zu einer längeren Rast: Wir kaufen Käse, Brot und Obst ein und finden auch einen Schweizer Wein! So ausgestattet nehmen wir eine Bank an der Uferpromenade in Beschlag (Bild von Knut) und <8> lassen die Zeit verstreichen. Sicher fallen wir auf: Zwei Radfahrer in Tourkleidung, vielleicht etwas durcheinander wirkend, mit einer Flasche Wein auf dem Boden und Käsebroten in der Hand! Das paßt einfach nicht in die schweizer Dorfidylle. Doch uns stört das wenig. Als wir das Panorama reichlich genossen haben, einige Raddampfer vorbeigefahren sind und sich das Wetter zu Sonnenschein entschlossen hat, machen wir uns wieder auf den Weg. Der führt uns jetzt auf der alten Axenstrasse am Urner See entlang, einem engen Arm des Vierwaldstätter Sees, Richtung Altdorf.

Die alte Axenstrasse <9> war seiner Zeit ein Handelsweg und eine Pionierleistung gleichermaßen: Am Fuß des Axen (zwischen 1922 m und 2078 m) wurde die 12 km lange Straße in den Jahren 1863/64 angelegt und 1954 ausgebaut. Sie wurde zum Teil durch den Fels getrieben, läßt Ausblicke auf das gegenüberliegende Ufer frei <9> und unter ihr fällt es steil zum See hin ab! Das perfekte an dieser Route ist aber, daß sie größtenteils den Wanderern und Radfahrern vorbehalten ist, denn für den motorisierten Verkehr gibt es mittlerweile viel geeignetere Tunnel, die mithilfe der heutigen Straßenbaukunst durch den Berg getrieben wurden. Geradliniger und breiter ermöglichen sie so zwar ein ungleich höheres Tempo doch leider versperren einige Meter massiven Gesteins die Sicht auf den See und das Panorama wie es sich uns bot! Nach solch überwältigenden Eindrücken könnte die Reise schon zu Ende sein. Doch es kommt noch besser.

In Altdorf brennt uns die Sonne schon auf den Pelz. Und als wir in der Touristinformation erfahren, daß es beim Aufstieg zum St. Gotthard-Paß keinen Campingplatz gibt, beschließen wir, die Nacht im Dorf zu verbringen. Zumal die Dame uns auch ein phantastisches Wetter für den nächsten Tag verspricht: Föhn-Wetter! Nach dem sprichwörtlichen Jetzt-hauen-wir-den-Touristen-mal-richtig-über's-Ohr-Ärger auf dem Campingplatz (wir können unser Zelt im 'Vorgarten' eines unbewohnten Campmobils aufstellen und es werden ohne ersichtlichen Grund andere, höhere Preise berechnet, die beim Bemängeln 'begründet' werden mit: Die Preise sind eh schon günstig und nächstes Jahr wird es sowieso teurer) suchen wir uns eine nette Gastwirtschaft im Ort - weil wir am See leider nichts fanden - und tafeln vorzüglich! Eingestimmt haben wir uns diesen Abend schon auf die Auffahrt zum St. Gotthard-Paß und die folgende Abfahrt, was uns nach der Wetterbesserung, dem guten Essen und Trinken und einem mittlerweilen wieder passenden Zeitplan nicht schwerfällt.

7. Tag (Über den St. Gotthard in die italienische Schweiz)

Am Morgen unseres siebten Tages hält sich das Wetter tatsächlich an die Dame aus der Touristinformation und hat sich zu Sonnenschein durchgerungen. In einem guten Kontrast können sich die uns umgebenden Berge so von dem dunkelblauen Himmel abheben: Der Uri-Rotstock mit 2928 m, der Gr. Windgällen mit seinen imposanten 3188 m und der Chaiserstock mit 2515 m! Nicht zu vergessen die kleineren Berge, die mit ihren schroffen Hängen einen guten Vordergrund für die Größeren abgeben. Schnell brechen wir auf. Ich traue dem Braten bzw. dem schönen Wetter nicht so richtig. Doch wir werden nicht enttäuscht. Knut tritt in seiner ganzen Euphorie ganz schön rein in die Pedale und legt ein gutes Tempo hin. Mich hängt er fast ab ... bis er mich auf mein brennendes Licht hinweist. Danach läuft es auch bei mir besser. Vor uns liegt jetzt eine Höhendifferenz von 1646 m = 2108 m (St. Gotthard) - 462 m (Altdorf)! Auf 48 km verteilt ergibt das eine durchschnittliche Steigung von nur 3,4%! Doch zu Anfang geht es im Reuss-Tal rund 7 km eben bzw. nur leicht bergan. Ab Erstfeld nimmt die Steigung zu und das Tal wird enger. Auf wenig Raum winden sich Autobahn, Eisenbahn, Reuss und die Paßstraße durch das Tal. Unsere Fahrt verlangsamt sich nicht nur wegen der Photo., die wir bei lohnenden Gelegenheiten einlegen. Da wir die Steigung jeder in seinem Rhythmus angehen - auch schon wegen der unterschiedlichen Übersetzung und Kondition - wartet der eine in geeigneten Abständen auf den anderen. Dies tun wir meist an einer der zahlreichen Wasserstellen in Form von Brunnen im Dorf oder am Wegesrand, die zu einer Erfrischung einladen. Denn der kühlende Fahrtwind bleibt bei diesem Anstieg vorerst aus und die Sonne scheint ihre Sonnenstrahlen mehr und mehr anzuspornen, ihr Bestes zu geben, puh!

Wir erreichen Wassen in 905 m Höhe. Zurückgelegt haben wir bis jetzt 26 km Strecke! Leicht errechnen wir, daß die durchschnittliche Steigung 1,7% betrug und so eine durchschnittliche Steigung von 5,5% verbleibt! Gut, wir haben die Schöllenen-Schlucht noch vor uns, und hier steigt unser Weg auf 9 km 531 m, daß heißt im Durchschnitt kontinuierlich fast 6%! Am Anfang der Schlucht verläßt uns die Autobahn und verschwindet im längsten Straßentunnel der Welt (erst 1980 fertigestellt): Gut 16 km im Berg! Der Verkehr auf der Paßstraße hält sich in Grenzen. Die Radfahrer sind zahlreicher geworden und rücken während der Steigung naturgemäß zusammen. Immer wieder überholen wir uns gegenseitig - da der eine hier, der andere dort eine Pause zum Verschnaufen oder Photographieren einlegt - und halten uns durch Zuwinken und Grüßen bei Laune: Der Opa vollbepackt mit Lowridern, die Kids fast schon ohne Atem, der Typ mit vollgepacktem Begleitfahrzeug, welches ihn bei jeder Gelegenheit zu einem Stop animiert und die Hobbyradler auf ihren Rennziegen. In diesem lustigen Reigen erreichen wir die Teufelsbrücke und kreuzen die alte Paßstraße. Eine kleine Pause lädt zum Verschnaufen ein. Knut macht einige Photos und gibt zu bedenken, daß er die ersten Kilometer der Auffahrt vielleicht zu schnell angegangen ist. Da die Schöllenen-Schlucht das schlimmste Stück der Auffahrt markiert und es im folgenden zwar nicht gerade bergab geht sondern nur noch moderat steigt, kann ich ihn beruhigen. Außerdem erreichen wir kurz nach dem Aufenthalt Andermatt.

Das kleine Bergdorf stellt einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt dar: Hier kreuzt die Nord-Süd-Verbindung über den St. Gotthard mit der Ost-West-Verbindung über den Furka- und Oberalppaß (Alpen 1 2001: Furkapaß und Alpen 2 2001: Oberalppaß). Das hier beginnende Hochplateau erstreckt sich bis Hospental. Rund 4 km bleiben also zum Entspannen. Zur Mittagszeit erreichen wir dann Hospental und wollen eine Pause mit zünftiger Brotzeit einlegen, müssen aber feststellen, daß sowohl unsere Vorräte erschöpft sind als auch das Lebensmittelgeschäft pausiert. Der Ladenbesitzer wohnt leider nicht über dem Laden, so daß wir im Schatten der Kirche unsere letzten Müsliriegel teilen und die Ansicht des Berge auf unser Gemüt einwirken lassen.

Ein wenig gestärkt geht es auf die letzten 9 km bis zum Paß [10]. Wieder Radfahrer und kaum Autoverkehr. Am Anfang geht's noch durch saftige Wiesen bergan. Die Straße windet sich ein wenig. Die Vegetation wird karger. Wir entschließen uns 4 km vor dem Paß, die alte Paßstraße auszuprobieren. Leider haben wir dabei das Kopfsteinpflaster übersehen und werden ganz schön durchgeschüttelt. Für die Abfahrt streichen wir das Ansinnen, die alte Straße zu benutzen. Am Paß angekommen erwartet uns ein weiter, flacher Sattel, der zwischen dem P. Rotondo (3192 m) und dem P. Centrale (3001 m) liegt. Die Straße ist gut ausgebaut, so daß alle Autos einen Parkplatz am Straßenrand finden. Wir suchen uns abseits vom Rummel ein Plätzchen an einem kleinen See und genießen die Stille. Knut muß gleich mit den Füßen durch das klare Wasser laufen. Es scheint ihm zu gefallen. Dazu brennt die Sonne ohne Unterlaß. Der Himmel ist kobaltblau und am Horizont lassen sich einige Wolken vom Wind treiben. Wir genießen den Augenblick, in dem wir nach 7 Tagen und 820 km unser erstes Highlight erreicht haben! Nach einer angemessenen Pause machen wir uns auf die rasante Abfahrt.

Nach kurzer Fahrt durch zwei Gallerien und hinter der ersten Biegung haben wir einen phantastischen Ausblick auf die uns bevorstehende Strecke und das Ticino-Tal <10>, welches sich rund 900 Meter unter uns zwischen den Bergen erstreckt! (Hier geht es zum höchsten innerschweizerischen Paß, dem Nufenen. Siehe Reisebericht Alpen 1 und 2!) Auf den insgesamt 15 km verlieren wir rund 1000 m an Höhe. Ein durchschnittliches Gefälle von 6,4%! Leider wird unsere Abfahrt gebremst durch die Umleitung auf die alte Paßstraße auf den letzten Kilometern vor Airolo: Die neue Straße ist dem motorisierten Verkehr vorbehalten - Fahrräder stören mal wieder - und so holpern wir wieder über's Kopfsteinpflaster. Doch wir haben Glück und bleiben mit den Reifen nicht in den Ritzen zwischen den Pflastersteinen stecken. Mit angezogenen Bremsen schleichen wir mit Tempo 4 km/h in's Tal. Zwar noch in der Schweiz gibt sich der erste Ort im Tal schon sehr italienisch: Airolo. Auch die ausgeschilderten Orte klingen anders als noch vor dem Paß. So lassen wir uns in einem der zahlreichen Cafes nieder und probieren den Cappuccino. Während Knut danach Geld tauscht und unsere Vorräte auffrischt, gibt's einen kleinen Gewitterschauer, der aber nicht lange anhält.

So machen wir uns schon bald auf in Richtung Biasca. Die B 2 verläuft wieder parallel zur Autobahn, die in Airolo das Tageslicht erblickt, und folgt dem Fluß Ticino. An manchen Stellen ist die Fahrt durch das Tal sehr aufregend, doch reizt uns die Landschaft eher zum Kilometerfressen. Aber so recht will uns das nicht gelingen, da sich zu dem sehr leichten Gefälle leider ein unerbittlicher Gegenwind gesellt. Und nachdem wir in Biasca etwas nach Süden abbiegen, uns der Wind noch stärker in's Gesicht bläst und wir dann noch die falsche Route erwischen - der Campingplatz in Claro liegt auf der anderen Seite der Autobahn - malen wir uns schon inspiriert durch die heruntergekommen Häuser in dieser ärmlich wirkenden Gegend und durch unsere trübe Stimmung ermuntert den Campingplatz aus. Doch als wir nach der heutigen Etappe von 115 km dort ankommen, sind wir überrascht: Ein propperer Platz mit nettem Platzwart, Swimming-Pool, Palmen hier und da, gut sortiertem Laden, kostenlosen Duschen ... und umgeben von Bergen mit Höhen zwischen 2390 und 2727 m! So kochen wir uns nach dieser Tour noch etwas Leckeres und kriechen reichlich erschöpft in die Schlafsäcke!

8. Tag (Am Lago di Lugano und Lago di Como entlang und bis Mailand)

An unserem achten Tag schwingen wir uns in unsere Sättel, ohne ein festes Etappenziel im Kopf zu haben. So lassen wir es ruhig angehen und kaufen in Bellinzona ordentlich ein. Anschließend machen wir gleich eine Pause, bei der Knut's Photo von einer der drei hochgelegenen Zwingburgen entsteht. Danach führt uns unsere Fahrt zum Monte Ceneri (554 m) hinauf, da wir über Lugano und Como Mailand erreichen wollen. Dieser kurze Anstieg hat es aber in sich. Die Höhendifferenz von rund 350 m bewältigt man durch eine 10 prozentige langgezogene Auffahrt, die fast immer in der prallen Sonne verläuft! Danach erreicht man über einige Hügel und eine wilde Abfahrt Lugano.

Hier fahren wir gleich mit den Rädern bis zur Uferpromenade vor. Den herrlichen Ausblick auf den See und die dahinterliegende Bergkulisse genießen wir dann bei einer kleinen Stärkung. Dabei ändern wir auch unsere Route: Ursprünglich planten wir die Tour in südliche Richtung am Lago di Lugano entlang direkt nach Como. Doch ob des schönen Wetters und der herrlichen Landschaft entschließen wir uns, am Lago di Lugano in östliche Richtung zu radeln, am Ende des Sees über die kurze Landpassage nach Menaggio am Lago di Como (Bild von Knut) <1> <11> vorzustoßen um dann am westlichen Ufer in südliche Richtung nach Como zu gelangen. Nur soviel sei jetzt schon gesagt: Es hat sich n-fach ausgezahlt! In Lugano geht es dann erst einmal recht gut bergauf, da der Felsen steil zum See hin abfällt. Einmal an Höhe gewonnen, hat man einen phantastische Überblick über den See und das Bergpanorama und es geht bei leichtem Gefälle in schneller Fahrt hinunter auf Seeniveau. Vor dem Grenzübertritt nach Italien wollen wir uns mit den letzten vorhandenen Schweizer Franken ein Eis am See erlauben und lenken die Räder hinunter nach Gandria. Hier sitzen wir auf der Terrasse eines Restaurants direkt über dem See. Und obwohl wir unser erstes Eis erst in Italien essen wollten, schmeckt es köstlich. Nach dem Bummeln durch den Ort schwingen wir uns auf die Räder und fahren Richtung Grenze. Nach der Fahrt durch einen stockdunklen Tunnel und ganz dicht am See entlang wieder ein freundliches Durchwinken an der Grenze.

Teil 4: Mailand und durch die Toscana in Italien

Die landschaftlich sehr schöne Strecke auf der schmalen Straße am Ufer des Sees wird nur durch das hohe Verkehrsaufkommen etwas getrübt. Da man sich stark auf den Verkehr konzentrieren muß, bleibt wenig Zeit, die Augen nach rechts von der Straße weg über den See zu dem gegenüberliegenden Ufer schweifen zu lassen. Bevor wir am Ende des Sees in Porlezza am Geldautomaten die ersten Lira abheben können, geraten wir in eine Art Trödelmarkt. In Leider läßt es sich mit den Rädern schlecht bewegen und da ich einen Ort am Lago di Como oder am Lago di Lugano besonders gut in Erinnerung habe und es Porlezza scheinbar nicht ist - es ist nämlich Menaggio, aber das kann ich noch nicht wissen - entschließen wir uns, die nächste Pause auf nach Überquerung der Landpassage zu verschieben. Und da der Lago di Lugano alleine schon gut 70 m höher liegt als der Lago di Como, müssen wir nicht viel an Höhe gewinnen, um uns einer herrlichen Abfahrt nach Menaggio sicher zu sein. Serpentinen geht es dann auch tatsächlich hinunter in die Stadt und wir müssen anhalten, um den weiten Blick über die mit roten Ziegeln belegten Dächer hinaus auf den See und die dahinterliegenden Berge in ganzer Schönheit aufnehmen zu können! Und tatsächlich ist dies die Stadt, die ich in so guter Erinnerung habe. Auch finde ich sofort die Bar Centrale wieder, direkt am kleinen Hafen gelegen. Ein guter Cappuccino untermalt die visuellen mit geschmacklichen Eindrücke: Wir sind in Italien! Die folgenden fast 40 km auf der Küstenstraße geraten zu einem wahren Happening, welches wir noch durch ein Verlassen der Hauptstraße und Durchfahren der drei kleinen Dörfer Laglio, Carate Urio und Moltrasio verstärken: In ersterem Dorf halten wir an - um den Genuß des Augenblicks noch zu verstärken - und ich kaufe ein wenig Proviant für die kleine Rast. Leider kann sich die Kundin vor mir nicht recht entscheiden, läßt sich den einen und anderen Käse zeigen und ordert zum Schluß noch einige belegte Baguettes, die eigens angefertigt werden müssen. Als ich dann im Laden fertig bin und Knut draußen bei den Rädern vergeblich suche, folgen meine Blicke den Rufen auf den See: Knut konnte einfach nicht widerstehen und ist in seiner Radfahrhose Schwimmen gegangen, ... ganz zur Belustigung der anwesenden Promenadenbesucher! Nach der Stärkung und kurzem Verweilen wird es für uns wieder Zeit, aufzubrechen.

Da wir auch noch nicht wissen, wo wir die Nacht verbringen sollen, fahren wir erst einmal in dichtestem Großstadtverkehr auf sechsspurigen Straßen durch Como's Industriezone. Und da wir bei schneller Fahrt in zwei Stunden in Mailand sein können, schalten wir beide auf Kilometerfressen. Während der Fahrt werfen wir ab und zu einen Blick über die Schulter, sehen die Alpen wie eine mächtige Barriere im Dunst verschwinden und nur durch die Gedanken an die damalige Katastrophe wird unsere Stimmung bei der Durchfahrt von Seveso getrübt. Im Wechsel fahren wir vorne. So erreichen wir beim Anbruch der Dunkelheit den Stadtrand von Mailand. Nur ist Mailand recht groß und die Jugendherberge liegt meiner Erinnerung nach im Zentrum der Stadt. Also folgen wir mit hoher Geschwindigkeit gegen 22 Uhr der Einfallsstraße von Norden in die Stadtmitte. Die Beschilderung und Beleuchtung der Straße ist leider sehr schlecht und so gerät Knut in ein Schlagloch, so daß die Halterung der linken Packtasche den vertikal auftretenden Kräften nachgibt und wir sie erst einmal notdürftig auf dem Gepäckträger verstauen. Denn wann die Jugendherberge die Pforten schließt, wissen wir nicht. Nahe des Friedhofs Cimitero Monumentale [14] haben unsere Erkundigungen bei einem Taxifahrer dann Erfolg: Eine Konversation ist zwar weder in Englisch, Französisch, Italienisch oder Deutsch möglich, doch ostello per la gioventu versteht er sofort und eine Beschreibung direkt bis zur Jugendherberge, deren Lage mir nach und nach dämmert, kritzelt er uns gleich in den Stadtplan von [12]!

Nach dem Einchecken bei sich nicht gerade durch Freundlichkeit auszeichnenden Personals suchen wir eine Pizzeria auf, in der wir unseren unbändigen Hunger stillen können. Auch kann man hier Bier ordern. Und so schlafen wir in der Herberge nach gut 150 km und unseren letzten Eindrücken aus den Alpen tief und fest!

9. Tag (Mailand)

Den neunten Tag der Radtour verbringen wir ganz ohne Radfahren. Wir machen uns zu Fuß auf den Weg durch Mailand [14]. Zuerst ziehen wir durch das Viertel Sant' Ambrogio [14], welches sich als leer und tot erweist. Hier wollen wir auch die Kirche San Maurizio al Monastero Maggiore am Corso Magenta 15 besuchen. Sie ist uns als eines der ungewöhnlichsten lombardischen Bauwerke angekündigt worden und Sonntag Vormittag soll um 10:30 eine Messe nach griechisch-byzantinischem Ritus gelesen werden. Obwohl wir uns pünktlich einfinden, ist sie leider wegen Renovierung geschlossen. So erregt alleine die Jugendstilbar Magenta unser Aufsehen.

Weiter ziehen wir zu 'Mailands Salon', der als die schönste Einkaufsstraße Italiens 1867 eröffnet wurde: Die Galleria Vittorio Emanuele II. <12> Und die hält, was der Name verspricht. Eine kreuzförmig angelegte Passage, die von einem luftigen Tonnengewölbe aus Glas überspannt wird und welches im Kreuzungspunkt von einer Kuppel gekrönt ist. Hier sind Cafes und noble Einkaufsläden versammelt, die zum Bummeln einladen. Wenn man die Galleria zur richtigen Seite verläßt, steht man unvermittelt auf dem riesigen Domplatz, der von vielen Tauben übersät ist. Sie werden von den verschiedensten Personen gefüttert, die wiederum das Futter von eigens herbeigeeilten Händlern beziehen. In den Dom [14], an dem von 1386 bis 1586 gearbeitet wurde und der erst 1965 endgültig fertiggestellt wurde, kommen wir Dank unserer langen Klamotten auch rein. Gleichzeitig mit unserem Eintreten wird auch eine bestimmte Veranstaltung abgehalten. Wir lassen uns aber dadurch nicht an unserem Rundgang hindern. Ein insgesamt sehr dunkles Gemäuer <13>, welches vielleicht auf die Untaten der Kirche hinweisen soll. Deshalb wird das Mittelschiff sicher auch zum Vertuschen derselben von riesigen Flutlichtstrahlern, wie wir sie aus Fußballstadion kennen, von der Decke her aufgehellt. Trotzdem aber gibt es recht schöne Ecken in dem Dom. Nachher steigen wir ihm dann noch auf's Dach. Das ist wörtlich gemeint und weder gefährlich noch verboten. Man hat von dort einen schönen Überblick auf den Vorplatz und über die gesamte Stadt.

Nach einer Stärkung in einem Park im Schutz schattiger Bäume vor der glühenden Mittagssonne erreichen wir die Reste der mittelalterlichen Kanalanlage: Wie Venedig war auch Mailand von einem dichten Netz von Kanälen durchzogen, auf dem zum Beispiel der Marmor für den Dombau herangeschafft wurden. Aber mit der Zeit verkam das Kanalnetz und es wurde letztendlich zugeschüttet ... bis auf die wenigen sichtbaren Reste, die sich im Süden des Stadtkerns am östlichen Ende der Ripa Ticinese vereinigen [14]. Zum Schluß wollen wir uns das 'Abendmahl' von Leonardo da Vinci ansehen. Dies befindet sich in einem an die Kirche Santa Maria della Grazie angefügten Zentralbau, welcher als Refektorium des ehemaligen Klosters fungierte. Leider ist der Eintritt mit mehreren tausend Lira für uns unerschwinglich teuer.

Da uns die Stadt ansonsten nicht allzuviel gegeben hat, verkürzen wir den geplanten Aufenthalt von zwei auf einen Tag und schließen uns dem Urteil aus dem Vorwort von [14] an: Mailand - eine Stadt für den zweiten Blick. Abends wollen wir den Tag in einer gemütlichen Kneipe bei einem gezapften Mailänder Bier beschließen, doch wir sind erfolglos. Und in dem Schuppen, in dem wir letztlich einkehren, wird uns von dem heimischen Bier abgeraten. Na denn mal prost!

10. Tag (Durch die Poebene bis Parma)

Den zehnten Tag beginnen wir mit dem Frühstück in der Kantine der Jugendherberge: Auf einem Tablett gibt es zum Brötchen Marmelade und Butter sowie Plastikbesteck. Und als wir Kaffee nachholen wollen, hören wir, der Kaffee sei ausgegangen. Wir versuchen dann, so schnell es geht aus Mailand zu verschwinden. Doch auf dem dicht befahrenen Innenring und der Ausfallstraße S 9 sind es doch 12 km, bis wir den Moloch Mailand hinter uns lassen können. Zu guter Letzt bin ich von einem abbiegenden Auto noch fast überfahren worden. Und da wir genug vom motorisierten Verkehr haben, versuchen wir den Hauptverkehrsstraßen zu entkommen. Dies soll uns laut Karte ab Lodi gelingen, doch die Straßenarbeiter haben schnell gearbeitet und der Straßenausbau ist schon fertig. So können wir erst ab Castiglione d' Adda auf Nebenstrecken ausweichen.

Ab hier fahren wir dicht am Fluß Adda entlang und geraten oft an Schildern mit der Aufschrift 'Nationalpark Adda Süd' vorbei bis die Adda in den Po mündet, den wir wiederum kurze Zeit später überqueren. Die gesamte Strecke seit Mailand ist gekennzeichnet von einer Ebenheit, die mit der niedrigen Vegetation einen beruhigenden Einfluß ausübt. Von der Hektik der Großstadt ist nichts mehr zu spüren und auf den kleinen Straßen mit dreistelligen Nummern bzw. ohne Nummer gibt es fast keinen Verkehr. Ohne große Mühe rollen wir durch Städte wie Busseto oder Samboseto, die einen verschlafenen Eindruck machen und eigentlich des Verweilens wert gewesen wären. Doch die Ruhe dazu fehlt uns, da uns von dem nächsten Highlight - dem Dreigestirn Florenz, Siena und Arezzo - noch so mancher Kilometer trennt. Den Abend kommen wir nach 150 km, 10:45 Sunden und mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20,7 km/h in Parma an.

Vor Einfahrt in die Stadt erfragen wir den Weg zum Campingplatz. Freundlich wird uns der Weg gewiesen, der Campingplatz scheint allgemein bekannt zu sein und immer wieder wird von Citta Della gesprochen. Aha, der Platz liegt in der Citta, der Stadt also. Na prima! Als wir dann der Beschilderung folgen, endet diese an einer Steinfestung. Die mächtigen Mauern sind von einem Wassergraben umgeben, den eine Brücke überspannt, die auf ein großes Eingangsportal zuläuft! Wir erkundigen uns bei einigen Jugendlichen nach dem weiteren Weg und alle deuten nur auf das Portal. Bis dann ein Mann erscheint, um es zu schließen. Wir lassen uns auf den Rädern zu ihm rollen, um auch ihn zu befragen. Und er deutet uns nur den Weg in die Cittadella! Und jetzt haben wir es: Der Campingplatz ist in der alten Festung untergebracht! Obwohl es schon spät ist, reicht die Zeit noch zum Kochen. Nur bedauern wir das Fehlen einer Flasche guten Weines!

11. Tag (Via Emilia und Apennin)

Nachdem Knut's Speichenvorrat nach weiteren Speichenbrüchen - die ich trotz meiner peinlichen Genauigkeit nicht alle verzeichnet habe - zu Ende gegangen ist, suchen wir am elften Tag erst einmal einen Radhändler auf. Jetzt allerdings stellt sich heraus, daß die bei uns verwendeten 2,3 mm-Speichen in Italien gänzlich unüblich sind und deshalb wahrscheinlich gar nicht aufzutreiben sein werden! So kauft Knut vorsichtshalber genug 2 mm-Speichen. Dann begeben wir uns zu einer Trattoria und lassen uns Kaffee und riesige Brötchen mit Käse und Parmaschinken schmecken. Ist das ein Frühstück! So gestärkt verlassen wir Parma. Das Wetter ist wie die Tage vorher bestens. Jetzt fahren wir auf der Via Emilia - einem alten römischen Handels- und Verkehrsweg, der unter Marcus Aemilius Lepidus 187 v. Chr. begonnen wurde - Richtung Bologna. Leider gibt es keine tragbare Alternativroute, so treibt uns der Verkehr zum Kilometerfressen an. Doch schon kurz hinter Parma entdeckt Knut eine geeignet erscheinende Autowerkstatt. Und dank seines Geschickes, welches er bei seiner Dreherlehre erlernt hat, der guten Sortierung der Werkstatt und dem freundlichen Monteur gelingt es Knut, seine vorerst notdürftig instandgesetzte Packtaschenhalterung reisetauglich zu gestalten.

Jetzt fahren wir erleichtert unserem Ziel Toskana entgegen und kommen durch die Ortschaft Reggio und erreichen Modena, wo wir über die Mittagshitze in einem schattigen Park mitten in der Stadt pausieren. Am Hauptbahnhof versuchen wir Erkundigungen über eine Fahrradmitnahme im Zug in Italien bezüglich unserer Rückreise einzuholen. Doch das mißlingt, da die Beamten sehr desinteressiert sind, kaum jemand Englisch spricht und die Verwirrung groß ist.

(Zur Information: Fahrradmitnahme im grenzüberschreitenden Verkehr aus und nach Italien ist nur möglich, wenn das Rad als Expressgut aufgegeben wird. Die Kosten werden nach Gewicht errechnet und belaufen sich für ein leichtes Rennrad von Siena nach Paderborn zum Beispiel auf rund 350 DM! So versuchten wir, Informationen über Preise und Verbindungen im inneritalienischen Bahnverkehr für die Rückfahrt vom Fährhafen Ancona, Venedig (war favorisiert) und Triest zu bekommen.) Aber die Rückfahrt schwirrt erst einmal nur im Hinterkopf herum.

So geben wir den Rädern die Sporen und biegen kurz nach Castelfranco von der S 9 ab, um auf Nebenstrecken über Piumazzo, Bazzano und Casalecchio Bologna zu umfahren. Leider ist die S 569 ab Bazzano eine Haupteinfallstraße nach Bologna und entsprechend voll. Doch im Hinblick auf die nächsten - wahrscheinlich ruhigeren - Etappen durch die Apenninen ertragen wir den Verkehr. In Casalecchio füllen wir den Proviantvorrat kräftig auf und nehmen die S 64, ab Sasso Marconi die S 325 Richtung Süden. Wie vermutet wird der Verkehr so dünn, daß er fast ganz verschwindet. Die schon kurz nach dem Verlassen der S 9 am Horizont auftauchenden Hügel kommen schnell näher, so daß wir, durch die Poebene verwöhnt, wieder kräftig strampeln müssen. Doch die lange vermißten bewaldeten Berghänge, Serpentinen und Schluchten machen das mehr als wett! Langsam dämmert es und wir entscheiden uns nicht für den Campingplatz in Rioveggio, sondern für den in Monzuno, da dieser auf dem Weg zum Passo della Raticosa liegt und eine größere Höhe aufweist, die wir den nächsten Morgen nicht mehr fahren müssen. Die Steigung zum Dorf schätzen wir leider etwas falsch ein. Zum Teil steigt die Straße mit 18% an! Und das am Abend mit rund 130 km in den Knochen.

Als wir dann im Dorf ankommen, finden wir den Campingplatz nicht, da er vor zehn Jahren geschlossen wurde. Dies teilen uns Dorfbewohner mit, die uns auch den Weg zum einzigen Hotel des Ortes weisen. Leider ist uns das mit umgerechnet 65 DM zu teuer. Und da es mittlerweilen stockdunkel ist und uns auch die Lust an der Teilnahme des Festes vergangen ist, welches gerade in dem Bergdorf gefeiert wird - man hört eine Musikkapelle spielen und alle Dorfbewohner sind in den Straßen auf den Beinen - kaufen wir im Hotel nur noch zwei Bier und beschließen, in der Nähe wild zu campen. Ein paar 100 Meter weiter finden wir auch einen geeigneten Platz. Die Dusche fehlt uns zwar sehr, doch das Bier läßt uns alles vergessen. (Nicht jedoch den Humor der Leute im Dorf - das Fest verwirbelt anscheinend allen die Sinne: Sie empfehlen uns den Campingplatz in Rioveggio. Daß der allerdings im Tal der Brasimone liegt, aus dem wir mühevoll aufgestiegen sind, scheinen sie übersehen zu wollen.)

12. Tag (Durch die Toskana nach Florenz)

Am zwölften Tag erreichen wir die Toskana [17], als wir nach einigen Hügeln - die uns auf die zu erwartende Landschaft einstimmen - und einem ausgedehnten Frühstück in dem Ort Loiano - Höhe 714 m über NN - den Passo della Raticosa erreichen. Der Paß bringt uns auf die Höhe von 968 m. Von hier aus verläuft eigentlich eine der schönsten Streckenabschnitte der ganzen 2800 km: Die kaum befahrene Straße schlängelt sich über einen Bergrücken und pendelt bis zum zweiten Paß zwischen 800 und 1000 m. Nach mehreren kleinen Dörfern erreichen wir dann auf der S 65 den Passo della Futa mit einer Höhe von 903 m. Bis hier ist die Strecke dicht bewaldet, läßt manchmal einen Durchblick auf die Landschaft frei, ist äußerst ruhig und die Räder laufen wie am Schnürchen! Vom Passo della Futa geht es mit hohem Tempo in das Tal der Sieve hinab. <14> Nur für ein paar Photos müssen wir in die Bremsen greifen. Den Plan, den nächsten und letzten Hügel vor Florenz im Flußtal der Sieve zu umfahren, lassen wir genauso schnell fallen, wie er gekommen ist. Und das ist gut so. Zwar müssen wir aus dem Tal in der prallen Sonne von rund 250 m aufsteigen - was nicht ohne eine Pause abgeht - zum Örtchen Pratolino auf rund 480 m - in dem wir uns dann eine längere Pause gönnen - doch die folgende Abfahrt in das Arno-Tal gehört wieder zu dem Besten, was die Tour zu bieten hat: Ständig sehen wir Florenz vor uns sonnenbeschienen im Tal liegen - der Dom, das Rathaus und Sta. Croce sind gut zu erkennen - und der Höhenunterschied von gut 400 m auf 8 km läßt die Abfahrt zu einem alle Sinne berauschenden Ereignis werden! Die Bremsen müssen wir allerdings öfter einsetzen, um die herrliche Sicht der Nachwelt in einem Photo überliefern zu können.

13. und 14. Tag (Florenz)

Den Campingplatz auf der anderen Seite des Arno in der Nähe des Piazzale Michelangiolo - für den wir uns auf Grund des sonnigen Wetters, der stadtnahen Lage und des günstigen Preises entschieden haben - finden wir dank des in [15] eingebauten Stadtplans sofort. Nach dem Aufbau des Zeltes stürzen wir uns sofort in die Stadt. Da wir uns einige Tage in Florenz aufhielten und die Eindrücke nur so auf uns hereinprasselten, seien hier nur einige kurz erwähnt: Vom Forte del Belvedere im Süden hat man - wie der Name schon sagt - einen sehr schönen Blick über die Stadt. An der alten Stadtmauer entlang gelangt man zum Piazzale Michelangiolo, welcher sich sowohl durch einen schönen Blick als auch durch viele Touristen auszeichnet, die mit verschieden ausgestatteten Reisebussen hierhergekarrt werden. Ein ausladender Parkplatz lädt dazu ein. Über Treppen gelangt man zum Arno hinab und über eine Brücke zur anderen Seite. Nicht weit entfernt befindet sich die Kirche Sta. Croce, <15> welcher ein Kirchturm beigestellt wurde und vor der sich der Piazza S. Croce erstreckt, der die schöne Fassade der Kirche erst richtig zur Geltung bringt. Der Innenraum ist riesig und beherbergt bedeutende Fresken: Leider wird auf einem Gerüst an der Decke gearbeitet. Doch von einem früheren Besuch kannte ich die Wirkung des weiten Raums. Das Fehlen von Stühlen oder Bänken tut ein übriges. Quer über den Platz und durch enge Gassen gelangt man zum 1314 fertiggestellten Rathaus, dem Palazzo Vecchio, flankiert von der Torre d'Arnolfo. Ihm wurde die Piazza della Signoria zu Füßen gelegt. In einem Gebäude schließen die Galleria degli Uffizi an. Die mächtige Kunstsammlung umfaßt mehr als 4000 Exponate, die leider noch nicht einmal alle ausgestellt werden können, da die Gebäude zu klein sind. Wegen der Dauer von zwei bis drei Tagen für eine Würdigung der Uffizien und des exorbitanten Preises von einigen zigtausend Lira haben wir uns den Besuch geschenkt. Nicht geschenkt habe ich mir die kostenlose Führung durch den Dom. Sie bringt mir das imposante und die ganze Stadtsilhouette bestimmende Bauwerk <16> ungleich näher. Im Vergleich zum noch zu besichtigenden Dom in Siena eher kläglich ausgestattet, überrascht er doch durch seine schiere Größe! Nett gemeint auch das Beistellen des Glockenturmes - den Giotto gebaut hat - und des Baptisteriums (Taufkapelle). In dieser dominiert wiederum ein die ganze Kuppel beherrschendes Mosik mit vielen Steinchen aus Gold oder einem ähnlich glänzenden Material. Beachtenswert auch die vergoldeten Bronzetüren und die sogenannte Paradiespforte. Nicht vergessen haben wir auch die herrschaftlichen Palazzi: In nördlicher Richtung gelangt man zum Palazzo Medici-Riccardi (heute Präfektur), welcher durch die schönen Höfe mit Garten mitten in der Stadt besticht. In südwestlicher Richtung gehend sieht man noch die Palazzi Rucellai und Strozzi, welche einen Blick lohnen. Festungsähnlich stehen sie mitten in der Stadt. Jetzt beeilen wir uns zur Ponte Vecchio zu kommen, damit wir den Rest der Stadt auch noch sehen können, denn auf unserem imaginären Spaziergang beginnt die Sonne zu versinken! Die Ponte Vecchio ist die älteste Brücke über den Arno und wurde 1345 erbaut. Auf beiden Seiten wurden über dem Fluß kleine Läden angefügt, so daß man meinen könnte, man gehe durch eine normale Gasse. Ein buntes Treiben herrscht hier und um dem Gewühl zu entkommen, wechseln wir zum anderen Ufer. Dann gelangt man auf einer belebten Gasse Richtung Südosten zum raumgreifenden Palazzo Pitti, hinter dem sich die Boboli-Gärten verbergen, eine Parkanlage aus dem 16. Jahrhundert. Schön wird die alte Gartenbaukunst auf dem weitläufigen Gelände - welches von der eingangs schon erwähnten Stadtmauer begrenzt wird - demonstriert. Und so schließt sich unser Rundgang durch Florenz.

Da wir jetzt noch nicht müde sind und noch etwas italienisches Flair aus dem Herzen der Toskana mitnehmen möchten, finden wir uns am frühen Abend mit einer Flasche Wein auf der Piazza S. Spirito. Beim Dunkelwerden füllt sich der Platz - und zwar nicht mit Touristen, sondern vornehmlich mit der einheimischen Jugend. Natürlich sieht man auf den Bänken auch den einen Opa oder das andere Mütterchen bei einem Plausch. Und vor allem die Kinder treiben den Fußball in ausgelassener Stimmung über den Platz, da sie in der Mittagshitze vorgeschlafen haben für die immer kürzer werdende Nacht. So haben wir den 13. und 14. Tag der Tour zwar ohne Rad verbracht, trotzdem aber viel gesehen.

15. Tag (Durch die Region des Chianti Classico nach Siena)

Den 15. Tag bewältigen wir ein Herzstück unserer Tour: Die Fahrt auf der SS 222 von Florenz nach Siena! (Bild von Knut) <18> 70 km wird es durch die Anbauregion des Cianti Classico (Bild von Knut) <17> gehen durch Weinberge, kleine Dörfer und Hügel auf und ab. Schnell sind wir vom im Süden der Stadt gelegenen Campingplatz auf der SS 222, die vom Autoverkehr weitestgehend verschont, erst einem Flußlauf folgend Grassina erreicht und dann auf Strada in Chianti zuführt. Weiter werden Namen wie Greve in Chianti und Castellina in Chianti folgen, die auf Chianti Classico Weinflaschen als Abfüllort oft zu finden sind. Die Route führt uns direkt nach Süden und belohnt die Augen für die lange Anfahrt von immerhin 1400 km! Mit einer

Durchschnittsgeschwindigkeit von 17,6 km/h sind wir zwar nicht zu schnell, doch legen wir auf der Hälfte der Strecke in Castellina eine Pause ein. Zuvor versorgen wir uns mit Käse, Brot und Obst und lassen uns auf einer Bank im Schatten nieder. Dabei können wir den Ausblick auf die Landschaft in Ruhe genießen. Dazugesellen wird sich nach kurzer Zeit ein Radler aus der Schweiz. Nach der langweiligen Landschaft in der Poebene genießt auch er hier die hügelige Szenerie. Wir erfahren auch, daß er aus Schwyz stammt, welches keine 5 km von Brunnen - unserem Pausenort am Vierwaldstätter See - entfernt in den Bergen liegt. Wir brechen zwar zu unterschiedlicher Zeit auf, doch treffen wir uns auf der Strecke nach Siena wieder und radeln gemeinsam die letzten Kilometer in die Stadt. Wir verabschieden uns, da er die Jugendherberge aufsuchen will, wir uns aber für den Campingplatz entschieden haben. Der Platz liegt etwas außerhalb, weshalb sich unser Weg dorthin einige Male verschlingt. Auch hier wieder freundliche Aufnahme, ein zwar kostenpflichtiger Swimming-Pool und ein reichlich gut sortierter Laden. Nach dem Zeltaufbau radeln wir gespannt auf unseren - ungewohnt leichten - Rädern die 3,5 km in die Stadt hinein. Unseren mehrtägigen Aufenthalt in Siena möchte ich auch kurz zusammenfassend beschreiben:

16. Tag (Siena)

In der weitgehend autofreien und geschlossen erhaltenen Stadt aus dem 13. und 14 Jahrhundert sind alle Attraktionen zu Fuß zu erreichen. Zentral gelegen an der muschelförmigen Piazza del Campo das Rathaus im Palazzo Pubblico mit der rund 100 Meter hohen Torre del Mangia. Gegen geringes Eintrittsgeld steigen wir hinauf und erhalten eine phantastische Rundumsicht auf das alte und neue Siena sowie das Umland! (Von hier oben hören wir hier und da aus den Gassen der Stadt einen eigenwilligen Trommelwirbel und Gesang, der bald wieder verstummt, nur um an anderer Stelle wieder von neuem zu beginnen. Sehen können wir indes niemanden, da die Gassen zu schmal und die angrenzenden Häuser zu hoch sind. Aber das Phänomen soll sich noch aufklären!)

Vom Platz aus erreicht man über die herrschaftliche Via di Citta an der Loggia della Mercanzia <20> vorbei und über Freitreppen die Piazza del Duomo. Hier ragt der Dom S. Maria empor. <19> In den Dom sind wir mehrmals eingetreten und wir wurden von dem reichlich überladenen und lückenlosen Inventar jedesmal auf's neue beeindruckt. Aber wenn man sich ein bißchen umsieht, können die Augen über Mosaike, Fresken, Skulpturen und anderen Zierrat schweifen. Durch die Dunkelheit wirkt der Innenraum sehr mystisch, was gut zu dem Gemäuer paßt. Einen Abend hören wir uns hier ein Konzert an. Die Sessione Senese Per La Musica E L'Arte American Universities präsentiert ein reichhaltiges Repertoire im Concerto Di Musica Sacra auf ihrer Tournee durch die Toskana. Dabei brachte der Direktor sogar sein eigenes Musikstück mit. Wenn man den Dom aus der passenden Tür verläßt, steht man in dem geplanten Längsschiff der Domerweiterung, was einem nicht sofort auffällt. Linker Hand ist in den schon fertigen Bögen und Gewölben das Museo dell'Opera Metropolitana (Dommuseum) untergebracht. Rechter Hand bilden die Außenmauern der Gebäude die eigentlichen Innenwände des Domes. Sie sind schon teilweise mit dem typischen schwarz-weiß Muster aus Marmor verkleidet. Geradeaus erhebt sich das eigentliche Hauptportal. Man kann vom Museum aus dort aufsteigen und es ergibt sich ein einmaliger Blick über die Stadt auf die Piazza del Campo samt Palazzo Pubblico und - sehr belustigend - in das geplante Längsschiff des Domes - der jetzige Dom sollte dann lediglich das Querschiff bilden - was aus finanziellen Gründen aber aufgegeben wurde. Links herum, durch den Nebeneingang die schon fertiggestellte Freitreppe herunter, erreicht man das Baptisterium, welches in einmaliger, kryptenähnlicher Lage unter dem Chor plaziert wurde!

Um ein wenig das Stadtleben Siena's zu schnuppern, bewegen wir uns entlang der alten Stadtmauern - die weitgehend erhalten sind - und gelangen an die Porta Romana aus dem 14. Jahrhundert. Abends sitzen wir auf der Piazza del Campo und lassen es uns bei Pizza und Rotwein gutgehen. Am ersten Abend überraschen uns hier trommelnde und singende Menschen in merkwürdigen Verkleidungen gefolgt von Fahnenschwenkern (Bild von Knut) <20>, die die Fahnen ab und zu in die Luft werfen nur um sie dann unter dem Jubel der anwesenden Menschenmassen geschickt wieder aufzufangen! Das geht eigentlich das ganze Wochenende so und wir erinnern uns daran, daß es gerade die Zeit des Il Palio delle Contrade [17], des bedeutendsten historischen Festes der Toskana ist. Hier kämpfen die 17 Seneser Kontraden, das heißt Stadtteile, gegeneinander. Die traditionellen Pferderennen am 2.7. und 16.8. rund um die Piazza del Campo werden dabei vor- und nachher von Umzügen und Festen begleitet. So verstreicht auch ohne daß wir es körperlich merken unser 16. Tag der Tour.

17. Tag (Weiter anch Arezzo)

Am 17. Tag dagegen heißt es wieder in die Pedale treten. Wir machen uns zu unser letzten Station in Italien auf: Arezzo! Die Strecke führt uns erst auf der S 73 mit mäßigem Verkehrsaufkommen 'gen Osten. Hier dominieren alle landwirtschaftlichen Nutzformen außer dem Weinanbau, denn wir bewegen uns am südlichen Rande des Weinanbaugebietes. Bei Colonna di Grillo biegt die Hauptverkehrsroute nach rechts ab und ändert ihre Nummer in S 326, so daß kaum noch ein Auto für die S 73 übrig bleibt. Die Straße muß sich jetzt auch schlängeln und winden, um die Steigungen, die jetzt reichlich daherkommen, zu schaffen. Wir kommen auch ganz schön in's Schwitzen! Aber da die Straße oft durch bewaldetes Gebiet verläuft und sich rasante Abfahrten mit weniger rasanten Auffahrten abwechseln, wird die Strecke nie langweilig. Da die Räder nicht soviel Lärm wie die Autos machen, können wir eine kontinuierliche Stille hören. Das ist sehr angenehm und entspannt ungemein. Gleichzeitig können wir uns die letzten Tage in den geschichtsbeladenen Städten durch den Kopf gehen lassen. Dabei kommen wir nach einer zügigen Abfahrt in's Esse-Tal durch Monte S. Savino und folgen der S 73 in der Ebene nach Arezzo. Die Ostello della Gioventu (Jugendherberge) finden wir nach einigem Fragen und Hin-und-Herfahren. Sie ist in einer alten Landvilla untergebracht. Sehr nett und stilvoll eingerichtet mit einer total netten Herbergsmutter. Nach der Ankunft und noch vor dem Duschen kursiert wieder die Frage: 'Hey, what's your job?' Knut wird von mir dann schon die obligatorische Antwort in den Mund gelegt: 'Oh, bicycle mechanic!' Es waren wieder einige Speichen dran. Nachmittags sehen wir uns dann Arezzo an, da wir für die 68 km nur gut 5 Stunden gebraucht haben. Doch es ist schnell erzählt: Gegenüber Florenz und besonders Siena hat Arezzo weniger, viel weniger zu bieten. Das geht aber nur zu Last der Quantität - sind wir kulturell nicht eh schon überladen - und nicht zu Last der Qualität!

Zuerst sehen wir uns in der Kirche S. Francesco den weltberühmten Freskenzyklus der Kreuzeslegende (1464) von Piero della Francesca an. Er wird zur Zeit restauratorisch betreut und die aufwendigen Arbeiten werden an Ort und Stelle dokumentiert. Dann steigen wir die Via Cesalpino hinauf zum Dom S. Donato (13. bis 16. Jh.), welcher durch seine Schlichtheit und Größe beeindruckt. Er liegt praktisch auf einem Hügel, um das Stadtbild zu dominieren. Durch den angrenzenden Park schlendern wir leicht hinab und gelangen auf die Piazza Grande, welche eingerahmt ist von allerlei Repräsentationsfassaden und mittelalterlichen Geschlechtertürmen. Auf der Piazza findet ähnlich wie in Siena ein alljährliches Lanzenstechen - die Giostra del Saracino [17] - statt. Anschließen tut an den Platz auch der Chor der Kirche Pieve di S. Maria, der ältesten Kirche (1140 begonnen), welche sich durch mehrere Stockwerke Blendarkaden an der Fassade und einen markanten Campanile <21>(Turm) hervortut.

Im Innern überrascht die Kirche mit einer Schlichtheit, die wiederum das Polyptychon (1324) von P. Lorenzetti - welches in Gold und Rot gehalten ist - zur vollen Wirkung kommen läßt! Und wenn man sich etwas länger im Innenraum aufhält, fängt er an, eine gewisse beruhigende Wirkung auf den Besucher auszustrahlen!

So präpariert ziehen wir noch durch die Stadt, kaufen Käse, Brot und Wein und lassen uns zum abendlichen Schmauß in einem Park nieder. Da wir genug von Arezzo gesehen haben und wir insgeheim innerlich auf die Weiterfahrt nach Ancona und das Übersetzen nach Griechenland drängen, beschließen wir, am nächsten Tag die beiden letzten Etappen in Italien zu beginnen.

18. Tag (Auf zum Teutonengrill)

Für den 18. Tag suchen wir uns dann die Route von Arezzo wieder der S 73 folgend über Monterchi, Citta di Castello und auf der S 257 über den Paß Bocca Seriola (730 m) sowie Piobbico und den Passo del Furlo (177 m) aus. Von Arezzo (300 m) geht es zuerst auf 500 m hoch, um mit Citta di Castello auf 230 m das Flußtal der Tevere zu erreichen. Hier pausieren wir ein wenig und stärken uns in einer Parkanlage für die rund 500 Höhenmeter, die uns mit dem Paß Bocca Seriola <22> bevorstehen. Die Fahrt verläuft ab hier sehr ruhig und wir radelen mit einem hohen Durchschnitt dahin: 21,4 km/h! Alleine der Passo del Furlo ist noch einen Stopp wert. Nicht die Höhe ist dafür verantwortlich, sondern wie sich hier das Flüßchen Candigliano, dem wir schon seit geraumer Zeit aus den Bergen folgen, einen Weg durch das Gestein gefressen hat. Die Straße verläuft ob der Enge ganz dicht am Felsen und der Fluß wird durch eine Sperrmauer am Ende der Schlucht zu einem See aufgestaut. Dabei winden sich sowohl See wie auch Straße in zum Teil engen Kurven zwischen den einige 100 Meter herabfallenden Felsen hindurch! Den Autofahrern der vierspurigen S 3 dagegen bleibt dieses Erlebnis allerdings verborgen, da sie in einen Tunnel von allem ferngehalten werden.

Wir dagegen schlagen uns noch mit einigen Hügeln und einem alten Nazi (,,Hitler war gut!``) - wobei letzteres für uns als Deutsche doch sehr frustierend ist - herum, während wir neben der alten Römerstraße Via Flaminia der Adria entgegenstreben. Den Badeort Fano erreichen wir dann beim Dunkelwerden. Wir fahren noch einige Kilometer in südlicher Richtung und erreichen den Campingplatz nahe Madonne del Ponte. Klischeehafter kann man sich einen Campingplatz an der Adria nicht vorstellen: Das reicht von der uns abends wie selbstverständlich angebotenen Elektrizität bis zu der morgentlichen Frühgymnastik mit einem Animateur! Naja, wir wollen eigentlich nur schlafen und kriechen in unsere Schlafsäcke.

19. Tag (Fährfahrt ab Ancona)

Am 19. Tag planten wir ab Ancona eine der abendlichen Fähren nach Igoumenitsa/Patras ein, doch sind die Fahrten und Fährlinien so zahlreich, daß wir uns darum erst nach der Ankunft in Ancona kümmern wollen. So rollen wir mit einem Durchschnitt von 27,1 km/h nach Ancona - einzig unterbrochen vom Stopp zum Kauf von Ersatzspeichen für Knut - und geben unser Gepäck dann am Bahnhof zur Gepäckaufbewahrung, um im Hafen ein bißchen flexibler agieren zu können. Beim Erkundigen nach der nächsten Fährfahrt am ersten Schalter traue ich meinen Ohren nicht: ,,Ja, in einer Stunde geht es los und Tickets sind noch zu haben.`` Wir rechneten mit größerem Andrang, da viele Autofahrer sicher auf die Durchquerung Jugoslawiens verzichten wollen. So teilen wir, durch die passende Abfahrtszeit überrascht, die verbleibenden Aufgaben auf: Das Gepäck vom Bahnhof holen und Zeitungslektüre besorgen (Knut), Geld für die Tickets bei der Bank beschaffen (ich), Proviant einkaufen für die Überfahrt (dann beide zusammen). Für die Tickets mit Deckpassage bezahlen wir pro Person rund 95 DM, die Fahrräder sind frei. Pünktlich - der Lotse im Hafen treibt uns zur Eile an - erreichen wir die Fähre am Kai. Wir verstauen unsere Räder im Bauch des Schiffes und nehmen alles das mit, was uns die 24 Stunden an Deck angenehmer gestalten kann. Schon kurze Zeit später sehen wir Ancona im Dunst verschwinden.

Teil 5: Von Igoumenitsa in Nordgriechenland bis Athen

Tourverlauf (Karte, 23kb)

Schon kurze Zeit später sehen wir Ancona im Dunst verschwinden. Der Kahn ist zwar nicht so groß, daß man sich verlaufen kann und ich schätze ihn auf 500 bis 600 Passagiere. Den Platz unserer Lagerstätte wählen wir nach dem Sonnenstand am nächsten Tag und entscheiden uns für Sonnenaufgang. Den Nachmittag verbringen wir mit Lesen, im Schatten dösen, auf's Wasser blinzeln und uns mit Kaffee sowie Cappuccino aus der Bar versorgen und den Abend (Bild von Knut) <23> kürzen wir mit einer Flasche leider nicht sehr guten Weines ab.

20. Tag (Fährankunft in Igoumenitsa und Weiterfahrt nach Ioannina)

Am nächsten Morgen - unserem 20. Tag - merke ich das. Und es ist uns eine Lehre, sich beim Weinkaufen mehr Zeit zu lassen oder eben nur auf bekannte Produkte zurückzugreifen. So quäle ich mich den Vormittag auf dem Schiff herum, immer vor der Sonne flüchtend und versuche mit einer Dose Henninger gegenzusteuern. Aber es ändert sich nichts und nachdem wir etwas an der Küste Albaniens vorbeigetrieben wurden, können wir in Igoumenitsa festmachen. Gegen 13 Uhr verlassen wir das Schiff, wechseln Geld und erkundigen uns in einem Reisebüro nach den Fährverbindungen der Rückfahrt. Wir erfahren, daß nach Venedig gar keine Fähre mehr geht. Nach Ancona gibt es genügend Verbindungen, doch äußerst interessant erscheint uns die Möglichkeit, bis nach Triest im Norden Italien's zu schwimmen, da sich so unsere leidige Bahnetappe mit den Rädern auf ein Minimum reduzieren läßt!

Nachdem wir uns weder zum Losfahren noch zum Pausieren in der Mittagshitze entschließen können, überwiegt unsere Ungeduld - etwas vom Land zu sehen - dann doch und wir trinken jeder einen Liter Coca Cola und radeln los. Noch in der Stadt geht es mit einem Speichenbruch an die nächste Tankstelle. Aber mittlerweilen haben wir Übung. Aus der Stadt heraus folgen wir in Ermangelung an Nebenstrecken - wie übrigens in ganz Griechenland - der Hauptverbindungsstrecke E 90 - E 92 in eine unbekannte Landschaft nach Ioanina, nachdem wir uns dort bei einem ehemaligen Mitbewohner Knut's für den Abend angemeldet haben. Der wollte nicht glauben, daß man das an einem halben Tag schaffen könnte und machte uns auf das nicht sonderlich hügellose Streckenprofil aufmerksam. Papperlapapp, denken wir uns. Wir haben die Alpen geschafft und konnten uns einen Tag auf der Fähre ausruhen. Doch es kommt anders und wir trauen uns zwar, auf die Uhr zu sehen, nicht aber auf die gefahrenen Kilometer oder umgekehrt! Eine der Größen will partout nicht zur anderen passen. Nach einer längeren Geraden folgt nämlich eine sich endlos bis auf rund 1000 m ziehende Steigung. Sie ist nie brutal, sondern von einer unendlichen Gleichmäßigkeit geprägt. Innerlich schreiben wir beide das Treffen in Ioanina vielleicht schon ab, doch zugeben will es keiner. So klammert sich einer an den anderen. Es sei nur schon vorweggenommen, daß es funktionieren wird. Doch davor folgt erst einmal die Abfahrt, die wir auf der breiten und gleichmäßig abfallenden Straße mit hoher Geschwindigkeit ausfahren können. Nachdem sich der Verkehr der meist mit deutschem Kennzeichen und griechischen Insassen versehenen Autos, die die Fähre ausspuckte, gelichtet hat, ist dies auf den sonst menschenleeren Straßen als ungefährlich anzusehen.

Auf der insgesamt 94 km langen Etappe gelangen wir auf halber Strecke nach einer Abfahrt in ein Dorf, welches in einem Flußtal liegt, und machen einmal länger Pause. Hier scheint jeder einmal anhalten zu wollen, da die Orte nicht so dicht gesät sind. In einem Alimentari - wir verwenden noch die italienische Bezeichnung für den Tante Emma Laden, da wir die griechische noch nicht kennen - kaufen wir alles Nötige dafür ein. Dabei kommt uns die Kenntnis des griechischen Alphabets zu Gute und wir lernen die Grundbegriffe rasch:

* [kalimera] = guten Morgen
* [gala] = Milch
* [psomi] = Brot
* [bira] = Bier
* [efxaristo] = Danke
* [ja su] = Gesundheit Dir, Tschüß
* [kalispära] = Guten Abend
* [kalinixta] = Gute Nacht

Dann spornt uns der Gedanke an die Hochebene um Ioanina an, unsere Beine in immer schnellere Fahrt zu versetzen. Doch nachdem wir die letzten 10 Kilometer im strömenden Regen zurückgelegt haben, merken wir, daß diese Hochebene um Ioanina gar nicht existiert! Den ganzen Tag ging es entweder hinauf oder hinunter: Tertium non datum! Gegen Abend treffen wir nach einem weiteren Telefonat Uli Deppe im Stadtzentrum. Wir können bei ihm und seinem Mitbewohner übernachten.

21. Tag (Ioannina)

Den 21. Tag sehen wir uns in Ioanina um, doch entdecken wir eigentlich nichts Erwähnenswertes. Abends gehen wir nach den Anstrengungen wie am Vortag gut Essen und lassen uns den dortigen Wein, den Zitsa, schmecken. Einen Abend versacken wir auch in einer Art Disco-Kneipe: Der Karma-Bar! Hier gibt es verschiedene ausländische Biere - unter anderem Budweiser und Labatt's - und verschiedene leckere Cocktails, die der gutaussehende Barkeeper geschickt zusammenmixt. Später abends tanzt der ebenfalls nicht traurige Diskjockey wie wild hinter den Plattentellern und heizt die Stimmung mit heimischen Songs - ich würde ihre Wirkung mit denen der Marianne Rosenberg Songs vergleichen - ganz gut ein, so daß die männliche Jugend sich einem Strip bis auf die Unterhose auf der Theke für die johlenden Mädchen nicht entziehen kann. Eigentlich ist das ja nichts besonderes, doch Uli klärt uns über die eher prüde Mentalität der Griechen auf und rückt so den Abend in ein anderes Licht.

22. Tag (Anfahrt zum Katarapaß)

Am 22. Tag brechen wir auf der E 92 in der Mittagshitze Richtung Osten auf, geraten in den nachmittäglichen Regen und kämpfen uns einem Flußlauf folgend in die Berge vor. <24> Die Blicke in die Landschaft schweifen zu lassen, lohnt sich wirklich. Ganz anders als die Berglandschaft in den Alpen oder der Toskana gibt es am Hang entweder dichte Vegetation oder der Hang folgt der Erosion haltlos in's Tal. Doch beeindruckt die dünne Besiedlung - wenn es sie überhaupt gibt - noch mehr. Hier ist die Straße auch schon fast leer. Kaum ein LKW, selten ein PKW. Und die Fahrer hupen und winken dann immer ganz wild, als ob sie uns vor etwas warnen wollen. Vielleicht freuen sie sich auch nur, daß sie mal wieder jemanden sehen in der Einöde, wenn auch nur zwei Fahrradfahrer. Nach einer Wetterbesserung machen wir dann in dem Ort Votonossi Pause. Fliegende Händler verhökern hier am Straßenrand allerlei Gedöns. Und obwohl der Ort ziemlich klein ist, hat der Laden, der in eine Gaststätte integriert ist, fast alles, was wir brauchen. So stärken wir uns für die letzten Kilometer, die uns in das Dorf Metsovo auf 1160 m hinaufbringen soll. Dies genügt uns für heute und bietet für den nächsten Tag eine geeignete Plattform, um zu dem 1690 m hohen Katara-Paß zu gelangen.

Da es in Metsovo keinen Campingplatz gibt, begeben wir uns auf die Hotelzimmersuche. Das heißt, wir brauchen nicht zu suchen, da wir gleich am Ortseingang angesprochen werden. 40 DM exclusive Frühstück für ein Dreibettzimmer mit Bad lautet das Angebot. Nach einigem Abwägen sagen wir zu. Wie selbstverständlich kümmert sich der Wirt um die Räder und verstaut sie im Haus. Nach dem Duschen begeben wir uns dann weiter hinunter in das Dorf, da es sich um ein Bergdorf handelt. Falls wir ein offenes Restaurant sowie einen offenen Laden finden, wollen wir essen und einkaufen. Doch als wir aus einer dunklen, ruhigen Gasse auf die Hauptstraße treten, trifft uns fast der Schlag. Remmidemmi bis spät in die Nacht: Wie wir später erfahren, sind wir in einem Ferienort der Griechen gelandet. So kaufen wir Käse, Milch und Brot für den nächsten Tag und essen uns in einem der zahlreichen Restaurants satt. Nach langer Zeit können wir die Nacht wieder einmal in einem richtigen Bett verbringen!

23. Tag (Über den Katarapaß zu den Meteora-Klöstern)

Am Morgen unseres 23. Tages ist das Wetter für die Paßfahrt phantastisch: Die Sonne hält sich zurück und in einer Höhe zwischen rund 1200 bis 1700 m herrscht eine angenehme Kühle. So haben wir während der gesamten Auffahrt einen guten Blick in die Täler und zurück zum Ort Metsovo sowie auf die Gebirgskulisse, die sich bis auf 2200 m in die Höhe reckt. Enttäuscht über das Ausbleiben eines richtigen Krachers erreichen wir mit 1690 m den höchsten Paß Griechenlands. Für die Abfahrt, die sich auf rund 30 km erstreckt, ziehen wir uns die Gore-Tex Jacken über, um nicht zu stark auszukühlen. Und auf gewagten kurvigen Abfahrten, bei denen mir Knut immer eine Nasenlänge voraus ist, erreichen wir über Panagia mildere Regionen, die sich auch durch andere, trockenere Vegetation auszeichnen. Nach insgesamt 70 km mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 21.6 km/h erreichen wir die Gegend der Meteora-Klöster. Hier führt uns die Landschaft schon einige Teile eines grandiosen Schauspiels vor: Ähnlich wie im Monument Valley in Arizona und Utah stehen monolithartige Felsen in der Ebene und am Berg und ragen wie vergessene Zeugen aus der Vegetation, oft gekrönt von einem der ehemals 39 Klöstern!

Dieses Bild ständig vor Augen steuern wir die Räder zu einem mir bekannten Campingplatz ganz dicht an den Felsen. Da wir den ganzen nächsten Tag für eine Wanderung zu den Klöstern und durch die Landschaft eingeplant haben, widme ich meine Aufmerksamkeit am Nachmittag Knut's Hinterrad, welches sich nicht zu schade ist für immer neue Probleme. Ich repariere es und wir werden nie wieder von ihm hören bis heute. Dann gehen wir in den platzeigenen Swimming-Pool. Mit der Kulisse der Berge ist die Erfrischung ein Erlebnis besondere Art! Abends kocht Knut wieder etwas Feines und es existiert bis heute ein lustiges Photo auf dem Knut hinter einer 1 1/2 Literflasche Demestica ausgestreckt im Gras <25>, liegt, während im Hintergrund unsere Fahrräder an den Felsen zu lehnen scheinen. Es dauert auch nicht mehr lange, dann ist der Tag für uns zu Ende.

24. Tag (Wanderung zu den Meteora-Klöstern)

Den 24. Tag vertrauen wir auf unsere Füße und wandern. Den nötige Proviant verstauen wir in einer meiner Karrimor Mountain Packtaschen, die man in einen Rucksack verwandeln kann. Knut hat dazu noch seine Ortlieb Lenkertasche dabei, die schon die ganze Tour als Kameratasche fungiert. So geht es los. Der sich durch die Felsen schlängelnden Straße folgen wir immer weiter hinauf in die Berge. Und immer wieder ergeben sich tolle Ansichten der uns umgebenden Landschaft: Die Lichtverhältnisse ändern sich, die Berge schieben sich voreinander, dann geben die Felsen den Blick wieder frei in die Ebene, Klöster erahnt man auf den Gipfeln! Und das alles bei Sonnenschein und blauem Himmel. Als wir am Kloster Roussanou vorbeigehen, entschließen wir uns zu einer Besichtigung. Am Nachbarfelsen entlang steigen Stufen empor, die über zwei kleine Brücken zum eigentlichen Felsen hinüberführen. Dann kann man das Kloster betreten.

Streng achten die Nonnen auf die Kleidervorschrift: Männer in langen Hosen und Frauen in Röcken mit bedeckten Schultern. Als die Nonne dann eine amerikanische Touristin mit Hose im Kloster sieht, bringt sie ihr einen rockähnlichen Gegenstand, den sich die Frau - begleitet von einem spöttisch-unverständlichen Grinsen - über die Hose streifen muß. Zu unserem Leidwesen ist die Amerikanerin nicht alleine. Ganze Horden von Touristen stromern durch das winzige Kloster. Kein Wunder, denn die Vermarktung des Klosters ist perfekt. Ausgestattet mit separater Heizung, Wechselsprechanlage, Licht und Verkaufsstand, der alle gängigen Kreditkarten akzeptiert und neben Lektüre in allen Sprachen auch in Plastikfolie eingeschweißte Heiligenbildchen feilbietet! Immer wieder werden ganze Busladungen durch die kleinen Räume <26> geschleust und es richt schon nicht mehr nach Kerzenwachs, Ruß und Moder sondern nach verbrauchter Luft und Schweiß. Als wir dem Chaos nach ein paar Photoaufnahmen auf die Terrasse entfliehen, sehen wir unten auf der Straße nicht weniger als acht Busse stehen, die mit laufenden Motoren die Klimaanlagen in Gang halten und ob ihrer Größe einen Verkehrsstau auslösen. Übriggeblieben ist also von der Attraktion nur noch die schöne Landschaft, seit jederman mit Stöckelschuhen zu jedem Kloster kommt.

Wir sind leicht genervt, da der Strom der Busse nicht abreißen will und machen uns auf Wanderschaft. Nicht vornehmlich, um die anderen Klöster zu sehen, sondern um auf den Verbindungswegen dem Touristenrummel zu entkommen und die Landschaft <27> auf uns einwirken lassen zu können. Nach vielleicht 15 oder 20 km kehren wir am späten Nachmittag ohne eine weitere Klosterbesichtigung zum Campingplatz zurück. Im Restaurant gegenüber stillen wir dann bei einem Bier, Tsatziki, Bauernsalat und Brot den Hunger. Die anschließende Fahrt mit dem Rad nach Kalambaka - welches einen Bahnhof besitzt - und ein Bummel dort bringen keine grundlegenden Veränderungen mit sich. Vor dem Schlafengehen beschäftigen wir uns mit den nächsten beiden Fahr- radetappen. Sie sind das eigentliche Manko dieser Tour, die im Norden beginnt, da wir bis zu unserem nächsten Highlight Delfi rund 230 km reine Fahrstrecke zurücklegen müssen. Und nach meiner Ansicht kann sie kaum Aufregendes bieten. (Dies stellt sich nachher aber als nur zum Teil zutreffend heraus.)

25. Tag (Über den Furkapaß nach Lamia:-)

Am 25. Tag brechen wir also auf, um von Kastraki der E 92 nach Trikala zu folgen und dann über Karditsa auf die E 65 zu gelangen, auf der wir weiter in Richtung Süden am Abend Lamia erreichen wollen. Nach kurzer Zeit erreichen wir dann auch die thessalische Ebene, welche wir auf bis zu 15 km langen und schnurgeraden Straßenabschnitten durchqueren. Durch nichts könnte die Öde der Strecke übertroffen werden. Unendlich groß erscheinende Felder werden von riesigen Wasserkanonen bewässert. Weder Trikala noch Karditsa laden so richtig zum Verweilen ein. Zur Mittagszeit wollen wir in Sofades eine Pause einlegen. Doch das Dorf besteht nur aus ein paar windschiefen Getreidespeichern aus Blech, ein paar Häusern und eine gemütliche Taverne können wir im Vorbeifahren nicht ausmachen. So warten wir den nächsten Ort ab. Nach rund 20 km kommen wir nach N. Monastiri. Kurz vorher haben wir die Bahnlinie - die hier rund 30 km schnurgerade verläuft - überquert, auf der unter anderem der Attica-Expreß verkehrt. Nach einem Salat zur Stärkung und einigen Bieren dösen wir im Schatten der Bäume und lassen die Zeit verstreichen.

Um vier Uhr - wie wir nachher festgestellt haben viel zu früh - brechen wir wieder auf und müssen kurze Zeit später aus der Ebene rund 400 m aufsteigen. Einen Blick über die Schulter sollte man riskieren: Langsam steigt man aus der Ebene - die sich weit öffnet - heraus und man sieht das schnurgerade Bahngleis im Dunst am Horizont verschwinden. Doch während des ganzen Aufstieges kann man der Sonne nicht entfliehen. So sehnen wir den nächsten Brunnen herbei, den wir aber erst in Domokos finden. Hier nehmen wir beide dann verdientermaßen eine Ganzkörperabkühlung, die den Helm einschließt. Danach verlieren wir kaum an Höhe und landen in einer Hochebene, in der wir bis zum Anstieg zum Furka-Paß sozusagen gefangen sind. Während des Aufstiegs hält ein LKW, der uns gerade noch überholt hat und der Fahrer deutet uns an, daß wir auf der Ladefläche mitfahren können über den Paß. Wir bedanken uns nur kurz, da wir uns nicht verständigen können - euqaristw euqaristw - und wollen uns die Paßfahrt mit 1200 m maximaler Höhe natürlich nicht aus der Hand nehmen lassen. Die Steigung ist insgesamt moderat und wir haben Gelegenheit, der Natur für die herrliche Landschaft genug Beachtung zukommen zu lassen. Oben angekommen ergibt sich dann noch ein schöner Blick über das Sperhios-Tal (100 m) auf die dahinterliegenden Berge (2200 m), den wir einige Zeit auf uns einwirken lassen! Zudem taucht die untergehende Sonne den Himmel dabei in die unmöglichsten Farben. (Bild von Knut) <28> Trennen tut uns von Lamia jetzt noch ein Höhenunterschied von 1100 m, der sehr ungleichmäßig auf die Entfernung von 16 km verteilt wurde. Das läßt uns die Abfahrt stellenweise zu Kopfe steigen. Trotzdem kommen wir aber nach einigen Photo. heile in Lamia an. Hier muß Knut aus Ärger unbedingt die ausladende Trafostation der Elektrizitätswerke photographieren. Denn die von hier ausgehenden Überlandleitungen haben ständig den Eindruck der in leichtem Dunst verschwindenden Landschaft getrübt. Da es in unserer Richtung keinen Campingplatz gibt, entschließen wir uns zu einer Hotelübernachtung im Stadtzentrum. Nach kurzer Zeit landen wir in einer geeigneten Gegend und finden ein Doppelzimmer - mit Klimaanlage und ohne Frühstück - für umgerechnet rund 45 DM. Die Fahrräder können wir in einem Hinterraum abstellen. Am Abend heißt es nach 138 km nur noch Duschen ... und raus in die Stadt! Dort finden wir bald einen lebhaften Platz, an dem wir unter freiem Himmel - mit Blick auf die beleuchtete Festung hoch über der Stadt - gut essen können. Wir machen weit und breit keine Touristen aus. Eine wahre Wohltat, nach den Erfahrungen der Meteoraklöster, nur von Einheimischen an den Nachbartischen umgeben zu sein! Nach dem Essen probieren wir dann in einem Kafenion den griechischen Kaffee, der an einen Espresso mit Satz erinnert. Das Hotel finden wir dann auf unserem Rückweg wieder.

26. Tag (Über den Parnass nach Delphi)

Für den 26. Tag steht die Überquerung der Ausläufer des Parnassos auf dem Fahrplan. Hierzu bewegen wir uns von Lamia aus in südlicher Richtung erst einmal gut 10 km auf Meeresniveau vorwärts, um Schwung zu holen für die Höhendifferenz von rund 500 m bis Bralos. Wieder diese endlos gleichförmige Art der Steigung. Zum Glück bietet unsere ansteigende Höhe einen immer besser werdenden Blick zurück auf das Flußdelta des Sperhios und den daran anschließenden Meeresarm. Knut hält auch bei dieser Auffahrt wieder tapfer durch, obwohl es bei der Wasserstelle knapp vor dem Gipfel so aussieht, als daß er jeden Moment hätte verdursten können. Wir befinden uns jetzt immer noch auf der E 65 und folgen ihr weiter nach Süden. Und es geht durch felsige und mit üppiger Vegetation versehenen Landschaft über Bralos nach Gravia.

Hier machen wir eine verdiente Pause und überhäufen uns mit reichlich Getränken. Knut entdeckt eine dieser eigenwilligen Kirchen im byzantinischen Stil. Allerdings ist sie noch nicht fertig gebaut und man sieht, da die Verschalung bereits abgenommen aber mir dem Verputzen noch nicht begonnen worden war, daß die klassische Grundform - gedrungener Baukörper, kein ausgeprägtes Längs- und Querschiff, um die Hauptkuppel angeordnete kleinere Halbkuppeln, schmale Rundbogenfenster und viele Bögen - heute aus purem Beton gegossen wird. Nach der Pause starten wir dann eine der schönsten Etappen: Zwischen dem Parnassos- (bis 2457 m) und dem Giona-Gebirge (bis 2346 m) erreichen wir auf einer landschaftlich sehr schönen Strecke - die am Hang entlang einen eindrucksvollen Blick auf die Berge und das Tal bietet - eine Höhe von 850 m. Von da an geht es mit durchschnittlich 5% hinunter zum Golf von Korinth. Vor Amfissa kommen wir durch Eleon, wo wir schon die ersten Ausläufer eines großen Olivenhains erkennen. Dieser Hain erstreckt sich noch bis zur Bucht von Itea am Golf von Korinth <29> und wurde 1984 als der größte zusammenhängende Olivenhain Griechenlands genannt. Etwas weiter in Amfissa machen wir eine kleine Pause, um Kräfte zu sammeln für die Auffahrt nach Delfi, die ich dort in Erinnerung habe.

Auf der Karte kann man einen ungefähren Höhenunterschied von 400 m ausmachen. Doch nachdem wir lange Zeit durch den Olivenhain gefahren sind - der vor Grillen nur so zirpte - und es nach dem Abzweig nach Itea langsam ansteigt, will die Steigung gar kein Ende mehr nehmen. Und nach dem Campingplatz rund 3 km vor Delfi gibt es noch mal einen richtigen Kracher. Dann sind wir endlich oben! In der am Ortseingang gelegenen Busstation erkundigen wir uns nach den Preisen des Campingplatzes. Doch die sind identisch mit denen der Jugendherberge. Die liegt aber mitten im Ort, wir müssen das Zelt nicht aufbauen, haben ordentliche sanitäre Anlagen am Zimmer und können auf der Dachterrasse kochen, frühstücken und genießen einen phantastischen Blick über den Olivenhain bis zum Kanal von Korinth! Den Abend verbringen wir bei Käse, Tsatziki, Brot und Wein auf dem Kirchenvorplatz und haben dabei einen schönen Sonnenuntergang zu beobachten.

27. Tag (Delphi)

Den 27. Tag gestalten wir als Ruhetag: Schon früh morgens vor dem großen An -drang ziehen wir zu den Ausgrabungen des Delfiheiligtums [23]. Diese liegen unweit der Stadt an der Straße um den Berg herum. So stören sich Ausgrabung und moderner Ort keineswegs. Und hier erfährt Knut am eigenen Leib, was ich schon kenne: Für Studenten ist der Eintritt zu Ausgrabungsstätten und Museen in der Regel frei. Von Italien haben wir noch die horrenden Preise von 5000, 12000 und 22000 Lira sowie die nicht vorhandene Studentenermäßigung im Kopf. So investieren wir das jetzt eingesparte Geld in Lektüre zu den Ausgrabungen. Dies ist insofern sinnvoll, als die Ruinen von Stätte zu Stätte eher gleich aussehen und die Bedeutung und Feinheiten dadurch erst erkennbar werden. So erfährt man etwas über historischen Kontext, die wirkenden Personen, die Bedeutung in der damaligen Zeit und die Arbeit in der Ausgrabung selbst. Die Hefte kosten umgerechnet um 7 DM.

Die Anlage in Delfi - bedeutend vom circa 8. Jahrhundert v. Chr. bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. - ist meines Erachtens die schönste in ganz Griechenland, weil sich weitreichende Bedeutung, guter Zustand und landschaftliche Lage in einmaliger Weise ergänzen. In der Ausgrabung steigt man über die heilige Straße an den Schatzhäusern vorbei hoch zum Apollon-Tempel, dem Zentrum des Orakels. Von dort geht es weiter aufwärts zum gut erhaltenen Theater. Wenn man das Ende der Anlage vermutet, wird man getäuscht. Über einen weiteren Pfad erreicht man das noch höher gelegene Stadion, welches sich außerhalb des Heiligtums befindet und in seiner voller Länge von 178 m an den Steilhang der Phädriadenfelsen schmiegt. Beim Zurückschauen bietet sich jetzt ein Ausblick über das Theater, den Apollontempel, die heilige Straße, den Bezirk der Athena Pronaia und das Tal des Pleistos bis in eine wilde Gebirgslandschaft! <30> So etwas gibt es auch in Griechenland zum Glück nur einmal. In der Mittagshitze ziehen wir uns in das Museum [23] zurück, welches unter anderem den Wagenlenker <31> eine fast unbeschädigt erhaltene Bronzestatue des strengen Stils von 475 v. Chr. - zum Betrachten bereithält. Aber es sind noch andere schöne Stücke zu sehen, die einen Blick wert sind. Nach einer Stärkung im Ort geht es dann in die Ausgrabung der Athena Pronaia, welche ein Gebäude der Priesterschaft und weitere Tempelanlagen sowie die Tholos enthält. Bei diesem Rundtempel ist man sich noch keiner Bedeutung bewußt bis in die heutige Zeit. Am Abend verlassen wir mit den Wächtern das Gelände und sind auch ohne Radfahren ganz schön kaputt! Deshalb wollen wir auch gleich für's Abendessen einkaufen. Doch beim Addieren der Preise stellen wir fest, daß es kaum oder gar nicht teurer ist, in einem Restaurant zu essen. Wir wählen eines nahe der Jugendherberge mit guter Aussicht, in dem ich nicht das erste Mal war. So eröffnen wir mit diesem Tag den Reigen der historisch bedeutenden Stätten!

28. Tag (Über Distimo und Ossios Loukas nach Aliartos)

Den 28. Tag beginnen wir mit der langen Auffahrt zu dem Ort Arahova. Sie führt ein Tal entlang und ist von schöner Landschaft umgeben. Nach dem Ort geht es in schneller Fahrt bergab Richtung Livada. Doch wir biegen zuvor ab nach Distomo. In diesem Ort richteten die Deutschen während der Naziherrschaft ein verheerendes Unheil an, indem sie die ganze männliche Bevölkerung ermordeten. Um an dieses schlimme Verbrechen zu erinnern, wurde ein Mahnmal errichtet. Meistens stand auf den Tafeln hinter dem Namen das Alter in Jahren. Doch manchmal mußte es in Monaten angegeben werden, denn die Kinder waren jünger als ein Jahr. (Dies ist aber leider nicht der einzige Zeitzeuge. Zum Beispiel wurde nördlich von Arkadien die Bevölkerung des Bergdorfes Kalavrita und der umliegenden Dörfer ermordet und Kalavrita zerstört [25].)

Von der Gedenkstätte fahren wir dann zum Ort hinunter. Doch bevor wir uns weiter auf den Weg machen, löse ich einen Eurocheck ein und wir versuchen uns nach der Beschaffenheit einer als nicht staubfrei markierten Straße zu erkundigen, die für die Weiterfahrt in Frage kommt. An den beiden Tankstellen am Platze bekommen wir sehr zweifelhafte und zum Teil unglaubwürdige Antworten. Das mag zum einen daran liegen, daß unser Englisch nicht gut ankommt bei den Leuten, zum anderen aber auch daran, daß unser Griechisch nicht lupenrein ist! Zur Sicherheit fragen wir dann noch die im Kafenion versammelten Dorfältesten. Und die wiegen ihre Köpfe, machen mit den Händen geheimnisvolle Bewegungen und lächeln schelmisch. Wie es uns ergeht, werde ich gleich berichten.

Erst einmal fahren wir zum wenige Kilometer entfernten Kloster Ossios Loukas. Dieses wurde im 10. Jahrhundert gegründet und besteht aus zwei Kirchen und den Wohnungen der Mönche. Die Renovierungsarbeiten sind gerade abgeschlossen und so können wir uns im Innenraum der Hauptkirche <32> an Mosaiken - die die Deckengewölbe komplett bedecken - Fresken und Marmorvertäfelungen erfreuen. Zusammen mit der kleineren Nebenkirche, der Krypta und der geschlossenen Hofanlage bildet es ein wunderbares Ensemble, von dem man einen weiten Blick in die Landschaft bis an die die Ebene begrenzenden Berge hat!

Vor dem Kloster dösen wir jetzt im Schatten der Bäume und entschließen uns zu einem Experiment: Um uns das Zurückfahren über Distomo auf die Hauptstraße zu sparen - insgesamt rund 20 km Umweg - wählen wir die Strecke, die uns zum größten Teil über als nicht staubfrei deklarierte Straßen durch die Elikon Berge führen soll. So wählen wir eine steile und steinige Abfahrt vom Kloster zu der im Tal verlaufende Straße - und sparen noch einmal rund 8 km - um dann in sengender Hitze und ohne uns im Kloster unsere Wasserflaschen aufgefüllt zu haben, langsam in die Berge zu steigen. Wie durch ein Wunder erreichen wir ohne zu verdursten den Ort Kiriaki. Lange Zeit sehen wir keinen Brunnen. Doch am Ende der Ortsdurchfahrt erblicken wir einen auf einem großen Platz. Sofort hängen wir abwechselnd unter dem kalten Wasser und machen uns so erfrischt zu dem Alimentari auf, um Coca Cola und eine Menge Obst zu kaufen. Wir wollen nicht plötzlich von einer gewissen Dorflosigkeit in den Bergen überrascht werden. Hinter dem Dorf soll laut unserer Karte die Teerstrecke enden. Und nachdem diesmal ich eine meiner Packtaschen an der Metallschiene mit dem Vorhängeschloß am Gepäckträger fixieren muß, da ein Haken den vertikal auftretenden Kräften nachgab, geraten wir sodann auf eine Schotterpiste, die eigentlich nur aus Geröll besteht und sich schon bald in einer brandneuen Teerdecke verlieren soll! Was ist geschehen? Wie die Schilder am Wegesrand erklären, werden die Verbindungswege mit EG-Mitteln auf Vordermann gebracht. Uns soll das natürlich nur recht sein und wir ziehen durch ein schön gelegenes Hochtal, das von 900 und 1500 m hohen Bergen umgeben ist. Doch schon nach einigen Kilometern ist die Freude zu Ende, da sich die Straße auflöst und eine Geröllpiste (Bild von Knut) <33> zum Vorschein kommt. Jetzt geht es nicht mehr mit 24, sondern mit 4 km/h vorwärts! Zu unserem Glück folgen wir einem Gefälle. Bei einer Steigung hätten wir keine Chance gehabt, da mein 20 mm-Hinterradmantel keine Traktion auf dem losen Untergrund hätte vermitteln können. Und so holpern wir wieder mit angezogenen Handbremsen und den gröbsten Brocken ausweichend die Strecke hinunter.

In der Einöde überholt uns noch ein Schäfer mit seiner gemischten Ziegen- und Schafherde. Er treibt sie hinter uns aus dem Wald auf den Weg und wundert sich wohl darüber, warum die Tiere nicht weiter wollen. Sie haben vielleicht noch nie in ihrem Leben zuvor Fahrradfahrer gesehen und stellen sich - dieser Situation ausweichend und um uns nicht überholen zu müssen - einfach fressend. (Bild von Knut) <34> Als zuletzt der Schäfer aus dem Gehölz auf den Weg kommt, sieht er das Dilemma und treibt mit wilden Schreien und Steine werfend die Tiere an uns vorbei. Er wundert sich vielleicht noch mehr als die Tiere und wir weisen den Weg hinunter und sagen: ,,Agia Ana``, den Namen des nächsten Dorfes. Er wiederholt dann kopfnickend den Namen und zeigt dabei auf sich. Dann treibt er die Herde auf der anderen Seite des Weges wieder hinunter. Auf dem weiteren Weg einigen wir uns darauf, dieses Experiment in Agia Ana abzubrechen - wir hätten noch gut 20 km dieser Umstände vor uns gehabt - und dort - einen Umweg in Kauf nehmend - eine geteerte Straße Richtung Norden zu nehmen, um wieder auf die Hauptstraße zu gelangen. Da wir bis Abend Theben nicht mehr erreichen wollen, kehren wir in Aliartos in einem Hotel ein und stärken uns bei einem leckeren Essen. Nach dem Bezahlen und dem Mokieren der überhöhten Rechnung gewöhne ich es mir wieder an, während des Bestellens die einzelnen Posten aufzuaddieren, um den Rechnungsbetrag nachher abschätzen und beurteilen zu können. Oft, eigentlich zu oft, müssen wir die verzehrten Speisen zusammen mit der Bedienung nochmals durchgehen, um dann nur den tatsächlichen Rechnungsbetrag zu zahlen. Eine sehr üble Sitte, die aber lukrativ zu sein scheint.

29. und 30. Tag (Athen)

Am 29. Tag geraten wir durch eine Ebene nach Theben und auf der E 962 in südlicher Richtung über einige kleine Hügel durch Erithres und Mandra nach Elefsina an den Golf von Korinth. Hier folgen wir rund 15 km der vierspurigen, verkehrsreichen E 94 am Golf von Korinth bis an den Stadtrand von Athen. Zum Baden reizte uns das Meer aber nicht, da das Ufer von zahlreichen Ölraffinerien, Fabriken, Industrieanlagen und Tankern sowie anderen Frachtschiffen übersät ist. Der Hügel - den wir dann uns vom Meer abwendend erklimmen - läßt eine rasante Abfahrt in's Zentrum von Athen folgen.

Teil 6: Athen und über den Pelepones bis Patras

Der Hügel - den wir dann uns vom Meer abwendend erklimmen - läßt eine rasante Abfahrt in's Zentrum von Athen folgen. Da ich mich hier etwas auskenne und wir ein billiges Hotel nehmen wollen, steuer ich den Omonia (Platz der Eintracht) an. Dort reiht sich in den umliegenden Gassen ein Hotel an das andere. Nachdem beim dritten Hotel der Preis für's Doppelzimmer mit Dusche und Balkon bei umgerechnet rund 35 DM liegt, schlagen wir zu: Wir buchen drei Übernachtungen und haben somit vier Tage in der Stadt. Diese fasse ich wieder übersichtsmäßig zusammen. Da Knut nicht gerade der Großstadtfan ist, plane ich einen Abstecher per Bus nach dem 67 km entfernten Kap Sounion mit Badeaufenthalt ein. Was aber bietet Athen [22][24]?

Zuerst einmal: Man kann fast alles zu Fuß erreichen. So bummeln wir vom Omonia am vormittags verwaisten Fisch- und Fleischmarkt vorbei zur Akropolis. (Bild von Knut) <35> Leider ist Sonntag und somit der Eintritt für alle frei. Das hat zur Folge, daß wir alleine um durch die Propyläen - Ta Propylaia: Das vor dem Tor Gebaute. Griechische Bezeichnung für jede Art von Torgebäuden - zu gelangen 15 Minuten brauchen. Oben verlaufen sich die Leute dann aber wieder und wir sehen uns das Erechtheion <36> mit den Kareatiden-Nachbildungen, den Parthenon, und das Museum an. Dabei stellt ersteres ein seltsames Durcheinander dar - drei ungenau zusammengerückte Baukörper, drei Dächer, vier verschiedene Ebenen, vier ungleiche ionische Säulenordnungen - und bildet einen herben Kontrast zum einheitlichen und besonnenen Entwurf des Parthenon, der in der Ausgewogenheit seiner Proportionen entzückt [24].

Da wir sonniges und windiges Wetter haben, können wir unsere Blicke schweifen lassen soweit wir wollen: Über Pireus bis nach Ägina und zu den Bergen, die Athen seine Kessellage bescheren und an denen die Ränder Athens langsam hochkriechen. Man kann auf die beiden Theater - das aus römischer Zeit stammende Theatron Dionisou und das noch heute betriebsbereite Odeion des Herodes Attikus (160 n. Chr.) - an den Hängen des Felsens schauen, man kann das weite Gelände des Olympieions ausmachen, man sieht den Areopag und die griechische sowie auch die römische Agora (Marktplatz und Mittelpunkt der antiken Stadt) und muß alleine zum Lykabettos, der sich wie ein Kegel aus dem Häusermeer erhebt und den man per Zahnradbahn besteigen kann, aufsehen. Durch die Plaka - das Altstadtviertel am Nordhang der Akropolis, wo man heute viel Nippes und Trödel zu Touristenpreisen kaufen kann - gehen wir nicht, sondern erklimmen den Areopag, wo der Apostel Paulus seine berühmte Rede an die Athener gehalten haben soll (vgl. Apostelgeschichte) und schlendern über das Gelände der griechischen Agora. Über den Monasteraki gehen wir zum Syntagma (Platz der Verfassung) wo wir uns die traditionell gekleideten Wachsoldaten vor dem Parlament ansehen und flüchten dann aber zum Schutz vor der Sonne in den Ethnikos Kipos (Nationalgarten), wo einige Tiere - zum Beispiel Schildkröten oder Ziegen - wie in einem Zoo leben. Nach einer Stärkung in einem Cafe dort besichtigen wir das Olympieion.Von diesem Tempel des olympischen Zeus stehen noch 15 der ehemals 104 korinthischen Säulen. Mit ihrer Höhe von gut 17 m lassen sie den größten Tempel Athens sowie einen der monumentalsten Griechenlands erahnen. <37> Er wurde um 530 v. Chr. begonnen, aber erst unter Kaiser Hadrian um 125 n. Chr. vollendet [20][24].

Danach fahren wir zum Kloster Kässariani außerhalb Athens. Durch das laute und hektische Verkehrsgewühl geht es mit dem Bus zur Endstation im Osten. Von dort muß man noch einmal rund 25 Minuten zu Fuß durch wiederaufgeforstetes Gelände gehen und gelangt nach einigem Suchen zum Kloster. Hier herrscht eine absolute Stille und man meint in der Ferne den Großstadtlärm zu hören. Doch das muß eine akustische Täuschung sein. Umgeben von Bäumen und einigen alten Häusern liegt das eigentliche Kloster am Hang des Hymettos im Schatten und es lohnt nicht nur einen, sondern für mich sogar zwei Besuche: Leider schließt das Kloster schon um 15 Uhr, wir sind zu spät! So umkreisen wir die Klostermauern und erfrischen uns an einer alten Quelle. An dieser wird darauf verwiesen, daß das ehemals trinkbare Wasser durch die Großstadteinflüsse derart beeinträchtigt wurde, daß vom Trinken des Wassers abgeraten wird.

(Da ich mir das Kloster aber unbedingt auch von innen ansehen will, fahre ich ein zweites Mal dorthin, nehme den langen Fußmarsch in der Sonne auf mich und werde nicht enttäuscht. Die kleine aber feine Anlage beeindruckt nicht nur durch die Fresken aus dem 16. Jahrhundert - dargestellt sind Heilige, Christusleben, in der Apsis die Gottesmutter und in der Kuppel, dem Kanon gemäß, Christus Pantokrator - im Naos der Kapelle, <38> sondern auch durch die lebendige Stille nur wenige Kilometer außerhalb Athens und durch die gute Dokumentation zu seiner Vergangenheit. So erfährt man einige sehr interessante Dinge, die man an den Baukörpern gut nachvollziehen kann [24].)

Zurück an der Busstation fahren wir in's Zentrum und steigen am Hilton Athen aus. Von hier aus gelangen wir über Treppen zwischen Häusern hindurch zur Hausgrenze des Lykabettos. Und auf einem verschlungenen Fußweg erreichen wir an Restaurants vorbei die Kapelle Agios Georgios auf dem Gipfel in 277 m Höhe. Von hier oben genießen wir den phantastischen Blick über die Stadt und den folgenden Sonnenuntergang. In der hereinbrechenden Nacht steigen wir in die Stadt hinab und treiben uns auf dem vor Vitalität berstenden Omonia herum. Zum Abendessen verziehen wir uns dann in eine Seitenstraße und finden gegenüber von unserm Hotel ein nettes Restaurant. Hier nehmen wir unter den Arkaden Platz und essen gut nur von Griechen umgeben, denn Busse fahren pausenlos vorbei - da ein Knotenpunkt nebenan liegt - und eigentlich ist das Restaurant ein typischer schäbiger Imbiß, in dem kein Tourist Platz nehmen würde. Zurück im Hotel verfahren wir wie so oft und legen uns nach dem Duschen naß auf's Bett, um uns Mitteleuropäern das Einschlafen in der heißen Nacht so angenehm wie möglich zu machen beziehungsweise erst zu ermöglichen.

31. Tag (Ausflug mit dem Bus nach Kap Sounion)

Am nächsten Morgen finden wir uns schon früh an der Busstation am Areos Park ein. Der vollbesetzte Bus bringt uns dann durch das morgentliche Athen am Flughafen vorbei nach Glifada im Süden an's Meer. An der Attischen Riviera entlang geht es dann auf der kurvigen Straße in haarsträubender Weise und mit diversen Zwischen. Richtung Kap Sounion. Kurz vor der Endstation steigen wir aus und suchen uns einen geeigneten Platz am Strand zum Baden und Rumgammeln. Es ist faktisch unser erster und auch letzter gemeinsamer Badetag. So genießen wir ihn. Mittags essen wir in einem der Strandrestaurants. Und auch hier wieder nur Griechen, soweit die Augen reichen. Insgesamt passiert den Tag über nicht viel, außer daß wir im Meer schwimmen oder am Strand dösen.

Und als sich die Sonne beeilt, ihn zu beenden, steigen wir in unsere Klamotten und zum Poseidon-Tempel (um 440 v. Chr.) hinauf. Dieser liegt in einmaliger Lage auf einem Felsen hoch über der Brandung. (Bild von Knut) <39> Und während sich die Sonne am Horizont langsam auf das Meer zubewegt, kommen immer mehr Menschen, um einen Blick auf die schöne Himmelsfärbung zu ergattern. Doch die bleibt aus. So fahren wir mit dem nächsten Bus zurück nach Athen. Auf der Fahrt füllt sich der Bus bedrohlich und es geht einem Tiefflug gleich (Bremsen ist out! Hupen, Gas geben und Weitersehen ist in!) mit hoher Geschwindigkeit durch's nächtliche Athen auf ein Ende des Ausflugs zu.

32. Tag (Von Athen über Pireus nach Ägina)

Einen Besuch des Fisch- und Fleischmarktes nehmen wir uns für den 32. Tag vor, bevor wir uns zur Insel Ägina aufmachen. Wir lassen das Gepäck im Hotel, erkundigen uns nach den Fährzeiten und stiefeln die Athinas-Straße hinunter zu den Markthallen. Die hier herrschende Atmosphäre ist für den Mitteleuropäer gänzlich ungewohnt: In einer Hektik und Betriebsamkeit wird in den verwinkelten, überdachten und durch Klimaanlagen gekühlten Gassen an offenen Ständen Fleisch angeboten, welches in ganzen toten Tieren angeliefert und vor den Augen der Kundschaft zerteilt wird. Ungewöhnlich ist nicht, wenn zum Beispiel ein ganzes Lamm ohne Fell am Haken baumelt und den Kunden mit leeren Augenhöhlen ansieht. Diese Gassen umgeben in U-Form die große Fischhalle, in der es ähnlich zugeht. In der Auslage auf Eis gekühlte Ware: O.s, kleine und große Fische aller Formen und Farben, Aal, Fisch in Scheiben und allerlei mir unbekannte Sorten! (Bild von Knut) <40> Das alles umhüllt von einem intensiven Geruch und skurril beleuchtet durch eine unzählige Zahl von nackten Glühbirnen. Nach dem Photographieren und Herumbummeln bekommen wir Hunger und verziehen uns in einen direkt angrenzenden Imbiß, <41> der allerlei Schmackhaftes in den Töpfen hat. Wir entscheiden uns nach Sicht für Fleischklöße in Reis und eine Lammkeule mit Lauch. Alles sehr lecker! Da dies der Dienstag nach Mariä Himmelfahrt ist, ist es recht ruhig und wir können die eigenwillige Situation genießen, bei der wir vom Tisch aus einen guten Blick auf die Fleischverkäufer der anderen Seite haben. Für den Rückweg zum Hotel heißt es noch einzukaufen, da wir auf Ägina wieder campen wollen.

Mit den Rädern geht es dann durch Athen nach Pireus. Hier nehmen wir die Fähre um 17 Uhr. Die Ruhe auf der Fähre kommt uns nach dem Rummel in Athen sehr gelegen und wir können ein wenig abschalten. Doch als wir auf Ägina in gleichnamiger Hafenstadt ankommen, glauben die Häscher uns wieder in der Hand zu haben. Gleich werden uns Hotelzimmer angeboten, da der Campingplatz nicht mehr existieren soll. Doch Knut sieht ein Schild mit Aufschrift Touristinformation und will sich selbst schlau machen. Er ahnt nicht, daß jedes Restaurant und jeder Hotelbesitzer an seinen Laden Touristinformation schreibt. So kommen wir natürlich nicht weiter, kaufen die letzten Sachen ein und werden insgesamt dreimal von einem Mopedfahrer angesprochen, der uns unbedingt ein Hotelzimmer verkaufen will. Knut macht sich seinem Ärger Luft, indem er ihm unmißverständlich zum Ausdruck bringt, daß wir seine zweifelhalten Methoden zum Kotzen finden, bei dieser Art der Anmache schon gar nicht reagieren und wir klug genug sind, uns zurechtzufinden, auch wenn wir wie Touristen scheinen! Danach haben wir Ruhe und fahren zu dem ehemaligen Campingplatz.

Das Gelände liegt am Meer und ist mir schon während der Überfahrt aufgefallen. Es ist wohl umfunktioniert worden in ein Gelände zum Picknicken. Leider - oder besser zum Glück - sehen wir in der anbrechenden Dunkelheit das Schild no camping nicht. Da außerdem noch andere Camper anwesend sind, richten wir uns auf dem Holztisch mit passenden Bänken ein schönes Abendessen an, speisen bei Kerzenschein, sehen die Fähren vorbeifahren und legen uns danach ob des guten Wetters nur im Schlafsack an den Strand.

33. Tag (Palaiochora, Epidaurus und Tolon)

Am Morgen unseres 33. Tages der Tour gibt es ein gutes Frühstück und wir verlassen unser Nachtlager so, wie es unsere Art ist: Aufgeräumt und sauber. Für den Tag sehe ich Palaiochora und den Aphaia-Tempel vor. So fragen wir nach dem Weg und los geht's! Durch hügeliges Gelände steigen wir leicht an, um nach rund 8 km den Fuß des Berges zu erreichen, auf dem das ehemalige Bergdorf liegt. Wir sichern die Räder und steigen zu Fuß über schmale Pfade an. Vor kurzem muß diese Gegend von einem Brand heimgesucht worden sein, da kein Gras, sondern Asche den Felsen bedeckt. Vom Dorf selbst ist schon lange nichts mehr übriggeblieben. So kann man schon gar nicht unterscheiden, ob es sich um natürliche Felsbrocken handelt oder um umgestürzte Mauern eines Hauses. Lediglich die vielen kleinen und bisweilen winzigen Kapellen stehen noch und werden betreut. Eine nach der anderen betreten wir auf unserem Weg nach oben. In den Innenräumen (Bild von Knut) <42> Heiligenbildchen und brennende Ölleuchten, die zusammen einen gespenstischen Eindruck hinterlassen.

Eine Kapelle bleibt mir besonders gut in Erinnerung: Sie hat als eine der wenigen eine Kuppel <43> und die ist außen wie innen mit einer Farbe getüncht, die mich an das IKB (International Klein Blue) erinnert. Die Farbwirkung verstärkt sich beim längeren Betrachten des Kuppelinneren auf sonderbare Weise. Auf der Wanderung begegnen wir keinen Menschen und erreichen den Gipfel, der eine gute Aussicht bietet auf die vielen kleinen Kapellen. Nach dem Absteigen verbunden mit dem Betreten weiterer Kapellen queren wir die Insel weiter in östliche Richtung und gelangen nach wiederum 8 km am Ende über eine Auffahrt zum Aphaia-Tempel (um 500 v. Chr.). Wieder handelt es sich um ei- ne kleine und feine Anlage, die zudem noch gut erklärt wird. Nach einem Rundgang und einigen Photos besinnen wir uns und fassen den Beschluß, die Fähre um 14 Uhr ab Ägina zu bekommen, die uns nach Palea Epidauros zum Peloponnes bringen soll.

Pelepones

Endlich der Peloponnes, diese Halbinsel, welche überglitzert ist vom Tau der Verwunschenheit und wie keine andere Landschaft Griechenlands mythenträchtig dichter von Najaden, Dryaden, Oreaden, von Satyrn und sonstiger dämonischer Halbwelt als von Menschen besiedelt zu sein scheint. Zeus suchte hier vorzugsweise seine irdischen Geliebten, ausgerechnet in der Nachbarschaft seiner überaus eifersüchtigen Gemahlin Hera, die über Argos herrschte. Nachdem er mit der Pleiade Maia geschlafen hatte, die ihm in einer Höhle des arkadischen Killinis-Berges Hermes gebar, wandte er sich in immer neuen Verwandlungen unter anderem der argolischen Königstochter Io zu, der Artemis-Gefährtin Kallisto, der argolischen Danae, die er zur Mutter des Perseus machte; der Leda, mit der er auf dem Taygetos Helena zeugte und die Dioskuren Kastor und Pollux. Und schließlich im letzten seiner irdischen Abenteuer der Alkmene, in Gestalt ihres Gatten, damit sie von ihm Herakles empfange, den Supermann unter den Sterblichen, von ihm ausersehen zum Kampfgefährten gegen die Giganten. Am Ladon wußte Poseidon das Sträuben der Demeter zu überlisten und Artemis wiederum bevorzugte zur Jagd Arkadien und den Taygetos [25].

Arkadien (Ausschnitt, 28kb)

Auf dem Weg in diese Gegend befinden wir uns gerade und nach einem kurzen Zwischen.auf der Insel N. Angistri erreichen wir den Hafen Palea Epidauros. Hier verbringen wir die Mittagshitze in einem Hafenrestaurant bei Salat, Brot, Tsatziki und Bier. Wir vertrödeln noch ein wenig die Zeit, ehe wir uns gestärkt auf den Weg über einen kleinen Gebirgszug zur antiken Ausgrabungsstätte von Epidauros [25] [26] machen. In erster Linie werden wir dort natürlich fasziniert von dem riesigen Theater (Bild von Knut) <44> - welches zur Wochenmitte leider keine Aufführungen anbietet - mit der umwerfenden Akustik. Vom obersten Rang hören wir eine Gesangseinlage, die mit normaler Stimme von einer griechischen Reiseleiterin vorgetragen wird, klar und deutlich. Gleichzeitig hat man einen herrlichen weiten Blick in die Landschaft und auf das Asklepios-Heiligtum, welches sich in der Antike durch die Heilkunst hervorgetan hat. Dies sowie die von den Römern später hinzugefügten Bauten sehen wir uns dann auf einem Rundgang an:

Das Enkoimeterion oder Abaton ist ein zweiteiliger, zusammenhängender Bau von 75 m Länge, welcher im Osten (4. Jahrhundert v. Chr.) einstöckig, im Westen (3. Jahrhundert v. Chr.) zweistöckig gebaut ist. Hier schliefen die zu Gott Flehenden, die in ihrem Traum den göttlichen Eingriff erwarteten, um geheilt zu werden [26]. Das Gebäude befindet sich gerade in einer Rekonstruktionsphase und man kann in der angrenzenden Arbeitswerkstatt die mit Akribie hergestellten fehlenden Steine liegen sehen. Nach dem Besuch des Museums, in dem unter anderem die Tafel mit der Inschrift ausgestellt ist, die als Bauinschrift des Heiligtums gilt und die die Ausgaben, die Architekten und das Baumaterial der Gebäude verzeichnet, machen wir uns über Ligourio - wo wir kurz pausieren - Richtung Westen auf den Weg nach Nauplia.

In einem Tal schlängelt sich der Weg an den Bergen vorbei und durch eine gefällige Landschaft - in der auch Tabak angebaut wird - rollen wir Richtung Meer. Dabei gibt uns die zwischenzeitlich erreichte Höhe reichlich Schwung. Zum Abend erreichen wir die Stadt. Leider erfahren wir auch hier wieder, daß alle Campingplätze geschlossen wurden und wir beschließen nach dem Einkaufen, zum Campen nach Tolon zurückzufahren. Dieser Umweg von 12 km läßt es mittlerweilen stockdunkel werden. Da Tolon ein Touristenbadeort mit mächtig Remmidemmi geworden ist, gehen wir nach dem Essen sofort schlafen.

34. Tag (Nauplia und die Fahrt nach Arkadien)

Am Morgen des 34. Tages fahren wir nach Nauplia [25] zurück, radeln durch die Stadt am Hafen vorbei, sehen die vorgelagerte Festung neben der Hafeneinfahrt im Meer und erreichen am Meer entlang das ehemalige Kafenion Krinos neben der zentralen Busstation. Hier stellen wir die Räder ab und begeben uns zu eine Treppe, die uns über tausend Stufen rund 200 m hoch zur Festung Palamidi <45> führt. Diese alte Festung spielte in der wechselvollen Geschichte Nauplias immer wieder eine wichtige Rolle. Von hier hat man einen weitreichenden Blick über den Golf von Argos auf die dahinterliegenden Berge. Sie werden sich noch als Passion auf unserem Weg nach Arkadien erweisen. Doch dazu später mehr. Die Festung selbst ist irre ausladend und wenn man sich in ihr bewegt, steht man immer wieder vor mächtigen Mauern, die eine Festung in der Festung vermuten lassen. Das allerdings ist darauf zurückzuführen, daß die Festung ihren Besitzer öfter wechselte und jeder an- und umbauen ließ. So besteht Palamidi in Wirklichkeit aus sieben Festungen und einer sie umgebenden Mauer. Nach dem Verlassen und Abgesteigen begeben wir uns auf den Weg entlang des Golfs von Argos.

Es ist windig und das Schilf am Ufer biegt sich sehr. So geht es rund 15 km auf ebener Strecke, bis wir von der Küste in's Landesinnere nach Westen abbiegen. Und es folgt nach einer kurzen Ebene ein sich windender Streckenabschnitt, der in seiner Art an die Alpen erinnert. Nur scheint die Sonne hier unentwegt und uns wird warm. Doch der Blick zurück - entlang der sich schlängelnden Straße, über den Golf von Argos auf Nauplia und Palamidi - entschädigt unsere Mühen. Oben fahren wir dann an einem 651 m hohen Berg vorbei und als wir auf der Karte für die nächsten 25 km keinen Ort eingezeichnet sehen, machen wir uns Sorgen um unsere Wasserversorgung. Die Vegetation in von kargen Bergrücken eingegrenzten tiefen Tälern ist eher dürr, doch die sich bietende Landschaft beeindruckt und auf der ausgebauten Straße kommen wir gut vorwärts. Hier oben treffen wir auch einen der wenigen anderen Fahrradfahrer unserer Tour. Er ist schon etwas länger unterwegs und wir tauschen Reiseerfahrungen aus: Wir machen ihn dann auf die jetzt vor ihm liegende Abfahrt aufmerksam während er uns eine Quelle abseits der Straße empfehlen kann. Nach einiger Zeit erreichen wir diese und können uns verdientermaßen abkühlen und den Wasservorrat auffrischen. Mit dem nächsten Paß überqueren wir auch die Grenze zu Arkadien und hoffen auf eine Abfahrt nach Tripoli. Doch die Stadt liegt in einer Hochebene auf 655 m, so daß es leider zu keiner Abfahrt kommt. Im Gegenteil bläßt uns hier die ganze Zeit ein kräftiger Wind entgegen, so daß wir unser Vorhaben, den Campingplatz in Milia rund 10 km hinter Tripoli zu erreichen, bald aufgeben. Und da der Platz in Tripoli selbst aufgehört hat zu existieren, beschließen wir, in der Stadt einzukaufen und uns hinter ihr in die Büsche zu schlagen. Im Schutz der Dunkelheit bauen wir dann das Zelt auf, nachdem wir uns zum Salat etwas gekocht haben. Da in Sichtweite eine Hausbeleuchtung durch die Bäume zu sehen war, schlafen wir mit einem unguten Gefühl ein.

35. Tag (Auch ich war in Arkadien)

Am nächsten Morgen, dem 35. Tag der Reise, räumen wir dann schnell unseren Platz und machen uns auf den Weg in die ehemals ohne Meerzugang zentral auf dem Peloponnes gelegene Bergregion Arkadien [25]. Nach gut 20 km erreichen wir Levidi auf 860 m und legen eine Pause ein. Am Hang gelegen bietet das Dorf einen guten Ausblick auf die tiefer gelegene Ebene im Nordosten. (Bild von Knut) <46> Umgeben sind wir von Bergen, die eine Höhe von bis zu 2000 m erreichen. Weiter folgen wir der Straße durch Vlaherna, am Abzweig nach Patras vorbei und nach Vitina. Dabei wird die Landschaft immer hügeliger und reizvoller. Nach Vitina geht es über zwei Flüsse hinweg und wir steigen zum höchsten Punkt kurz bevor wir nach Karkalou wieder hinunter fahren. In Karkalou - welches aus ein paar Häusern besteht, den Abzweig Richtung Süden nach Dimitsana [22] markiert und Bus.ist - machen wir Rast. Die Wirtin des Restaurants sowie die paar Gäste verstehen wir nicht und so gibt es für uns nichts Festes zu essen, auf das wir uns so gefreut haben. Danach machen wir uns auf die noch bergiger werdende Etappe nach Langadia, einem richtig großen Bergdorf mitten in der phantastischen Bergregion von Arkadien. Und wieder steigt die Straße ohne Unterlaß an, um sich dann kurz vor Langadia nach Erreichen der Paßhöhe in eine Abfahrt zu verwandeln. Nur für einen Photostop halten wir an und rollen dann durch das Dorf. Am Ende fällt uns ein Motel <47> auf und entgegen Knut's Idee, wild zu Zelten, fragen wir dort nach dem Preis. Da dieser wieder einmal so günstig ausfällt, kehren wir ein. Wie sich wenig später herausstellt, ist dies auch die bessere Wahl gewesen. Denn nach dem Duschen liegen wir auf den Betten, ruhen uns ein wenig aus und vernehmen merkwürdige Geräusche von draußen. Nach vielen Tagen der Trockenheit fängt es fast aus heiterem Himmel an zu regnen. Unbemerkt haben sich in den Bergen einige Gewitterwolken versammelt. Nach dem Schauer machen wir einen Rundgang durch das Dorf. Es liegt steil am Hang und ebenen Stücken auf der Straße folgen dazu wieder orthogonale Abschnitte, die uns über Stufen auf- oder abwärts führen. Da das Dorf nicht sehr groß ist, einigen wir uns bald auf ein Kafenion. Dort warten wir auf den Abend, trinken etwas und schreiben Postkarten. Abends halten wir uns noch lange auf der Hauptstraße auf, die von vielen Restaurants und Kneipen gesäumt ist, bevor wir in's Motel zurückkehren und eine schöne Nacht in einem richtigen Bett verbringen.

36. Tag (Von Langadia nach Olympia, Wiegestätte der Spiele)

Am nächsten Morgen hole ich dann frisches Brot, welches sich als etwas umständlich herausstellt: Im Laden der Stadt, wo ich Milch und Käse bekomme, gibt es aber kein Brot. Das gibt es in der Ausgabestelle, die im Restaurant eines Hotels untergebracht ist. Die wiederum hat so früh aber noch kein Brot aus der Bäckerei bekommen. So gehe ich in die Bäckerei und berede die Frau, mir eins der frisch gebackenen Brote zu verkaufen. So ausgestattet gibt es ein gutes Frühstück, zu dem wir uns auf dem Balkon per Kocher frischen Kaffee kochen! Nach dem Auschecken erleben wir die schönste Abfahrt der ganzen Tour: Faktisch geht es von Langadia (1000 m) nach Olympia (60 m) herunter. Und die ersten 10 km dieser Abfahrt geht es rasant aus der dicht bewaldeten Bergregion hinaus. Linkerhand in der Schlucht fließt ein Fluß während es rechterhand steil hinauf geht bis gut 1300 m. Die Straße ist recht schmal und kurvig. So gibt es immer wieder phantastische Ausblicke und zusammen mit der Geschwindigkeit von rund 40 km/h ein die Sinne berauschendes Erlebnis! (Bild von Knut) <48> Allerdings findet es ein jähes Ende nachdem wir über ein Flußlauf gelangen und zum nächsten Paß auf 730 m angesteigen, da an der folgenden Strecke gearbeitet wird und die Teerdecke durch eine Schotterpiste ersetzt wird. Sie erlaubt dann gerade mal 15 km/h auf der Abfahrt. Leider muß man die Augen jetzt mehr auf die Straße heften - um den Schlaglöchern sowie Gesteinsbrocken auszuweichen - als daß Zeit bleibt, sich an der ungewohnt grünen Landschaft zu erfreuen. Im Flußtal des Ladon können wir dann die neue Straße befahren und es geht mit hoher Geschwindigkeit weiter, um aus dem Flußtal heraussteigend Lavadaki zu erreichen und sogleich in's Tal des Erimanthos wieder hinabzufahren. Während ich hier auf Knut warte - der sich zu einem Photostop entschlossen hat - untersuche ich meinen Gepäckträger, der ein ständiges Geräusch im Rhythmus der Kurbelumdrehungen produziert, und finde heraus, daß sich die Schweißstelle einer Aluverstrebung gelöst hat. Nach dem Eintreffen von Knut fixiere ich die Strebe mit Isolierklebeband. Da wir jetzt keinem Fluß mehr folgen, wird die Strecke hügeliger und wir entschließen uns in Mouria, rund 10 km vor Olympia, zu einer Pause im Schatten der Bäume vor einem Kafenion.

Wegen der Hitze und der Wirkung des alkoholischen Teils im Bier sind wir dazu übergegangen, Sprite mit Bier zu einem Alsterwasser zu mischen. Der zuckrige Anteil soll uns Kraft geben und verlorengegangene Mineralien ersetzen, während der herbe Anteil des Bieres den Durst löschen soll. Das klappt auch hervorragend. Hier in diesem Kafenion sitzt anscheinend auch der komplette Anteil der männlichen Bevölkerung des Dorfes und döst durch die Mittagshitze. Wir haben in Griechenland viel gelernt und schließen uns an. Dann fahren wir aber weiter Richtung Olympia, wozu sich keiner der anwesenden Griechen entschließt, weil sie wohl in ihrem Dorf zu Hause sind. Vor dem Dorf Olympia, welches ähnlich gelegen ist wie das von Delfi, kommen wir schon an den Ausgrabungsstätten vorbei und können einen Blick riskieren auf das antike Stadion und das neue Museum.

In Olympia selbst geht es dann am alten Museum vorbei und wir folgen einem der vielen Wegweiser zu einem Campingplatz. Dieser liegt etwas oberhalb der Stadt. Doch die Preise - schon bevor ich mich ablehnend äußern kann, wird mir ein spezieller, äußerst dubios wirkender Rabatt eingeräumt - sind immens hoch und vor dem Laden sitzen lauthals lachend deutsche Touristen im Schatten. Die Jugendherberge dagegen liegt mitten im Dorf bei ähnlichen Preisen, so daß die Wahl nicht schwer fällt. Außer dem üblichen Touristennepp bietet das Dorf ansonsten nichts. So können wir uns ganz auf die Ausgrabungsstätte konzentrieren. Für den Abend kaufen wir uns eine Flasche Demestica Rose - den ich vorher noch nie gesehen habe - und die 1 Kilo Vorratspackung Pistazien und machen es uns auf einem Platz im Dorf gemütlich. Zur Jugendherberge ist es dann nicht mehr weit.

37. Tag (Olympia)

Die Ausgrabungen [27] nehmen wir uns dann für den 37. Tag vor. Neben dem wohlbekannten Stadion befinden sich noch eine ganze Reihe anderer Bauwerke und Kultstätten, die im Zusammenhang mit den Spielen standen. Das fängt am Eingang an mit dem Gymnasion und der Palästra, in denen sich die Spieler auf die Spiele vorbereiten konnten. Es folgt im Süden die Werkstatt des Phidias, der hier unter anderem das Goldelfenbeinbild des Zeus für den Zeustempel geschaffen hat. Weiter folgt das Leonidion, welches als Gästehaus für hohe Besucher diente. Östlich von diesen Gebäuden bzw. den Resten davon liegt die heilige Altis. Hier sind die Schatzhäuser, der Heratempel, die Tholos und weiter Bauwerke sowie das Hauptbauwerk, der Zeustempel <2> versammelt. Wiederum im Osten schließt das Stadion an, welches Platz bot für 30.000 bis 35.000 Personen. Da wir genug Zeit haben, können wir uns alles in Ruhe ansehen und wenn wir im Schatten sitzen, <49> um unsere Füße zu entlasten und der Sonne auszuweichen, haben wir Gelegenheit, Einzelheiten im Führer nachzulesen. Dies gibt Hintergrundinformationen und macht ein Verständnis des antiken Ortes erst möglich.

Anschließend begeben wir uns in das neue Museum, welches als Highlights die Statue des Hermes des Praxiteles in einem Nebenraum zeigt sowie die Reste des Ost- und Westgiebels <50> des Zeustempels [25] in voller Breite im zentralen Mittelsaal beherbergt. Im Ostgiebel wird uns mit 21 Figuren ein bedeutender örtlicher Mythos geschildert: Das Wagenrennen zwischen Pelops und Oinomaos. Der Westgiebel besteht ebenfalls aus 21 Figuren und stellt in harmonisch gegliederten Gruppen einen panhellenischen Mythos dar: Den Kampf der Laphiten gegen die Kentauren. Die Werke sind in den letzten Jahren der Bauzeit des Tempels gearbeitet worden, gegen 460 v. Chr. also. Und die Darstellungen dieser Mythen ist so ausdrucksstark gelungen, daß ich mir einige Zeit nehmen muß, um alle Details zu erfassen. Nicht umsonst werden die Giebel als zweifellos die größten Schätze der antiken griechischen Kunst angekündigt! Was auch zu stimmen scheint. Abends gehen wir uns noch einmal in das Ausgrabungsgelände, um einige Photos ohne die Touristenmassen machen zu können. Mit den Trillerpfeifen der Wärter begeben wir uns dann zum Ausgang und lassen uns zum Abendessen in einem Restaurant in einer Seitenstraße nieder. Wir essen und trinken gut, denn wir zelebrieren unseren eigentlich letzten Tag in Griechenland und unserer gesamten Tour!

38. und 39. Tag (Der Anfang vom Ende: Aufbruch nach Patras und Fährfahrt)

Am nächsten Morgen stehen wir zeitig auf, besorgen frisches Brot in der Bäckerei und frühstücken im Zimmer. Danach machen wir uns auf die 118 km lange letzte Etappe nach Patras. Sie führt uns erst nach Pirgos, da wir in einem Reisebüro Fährtickets für die Rückfahrt kaufen wollen. Dank Knut seinem Adleraugenblick finden wir sofort ein geeignetes Reisebüro. Beim Verlassen der Stadt haben wir die Tickets bereits im Gepäck. Jetzt geht es auf der E 55 in einiger Entfernung zur Küste nach Norden. Steigungen gibt es eigentlich keine mehr. Da die übernächste Fähre nach Triest erst in drei Tagen geht, wollen wir pünktlich sein. So beeilen wir uns ein wenig, um bei einer möglichen Panne auf den Überlandbus Pirgos-Patras umsteigen zu können. Das erweist sich aber als zu pessimistisch.

So verlassen wir die Hauptstraße rund 25 km vor Patras und biegen nach Kato Ahaia ab Richtung Golf von Patras. Im Ort finden wir kein ansprechendes Restaurant, fahren weiter und finden eins auf freier Strecke, welches trotz der fortgeschrittenen Tageszeit von einigen Griechen besucht ist. Nach einer Stärkung wollen wir dann unbedingt noch einmal an's Meer. Vielmehr hat Knut das Bedürfnis, Baden zu gehen. Dabei entstehen einige Aufnahmen, die ihn im Wasser vor den Bergen des griechischen Festlandes zeigen. <51> Danach fahren wir durch einige kleine Orte auf der Küstenstraße entlang, bis diese wieder zusammenfällt mit der mittlerweilen vielbefahrenen E 55. Wir nähern uns unmißverständlich der Hafenstadt Patras. Und nachdem wir reichlich und mit Bedacht für die Rückfahrt - die jetzt eineinhalb Tage dauern soll - eingekauft haben, begeben wir uns in den Hafen und erkundigen uns nach dem Ankerplatz unseres Schiffes.

Teil 7: Die Rückfahrt über Triest und München

Und nachdem wir reichlich und mit Bedacht für die Rückfahrt - die jetzt eineinhalb Tage dauern soll - eingekauft haben, begeben wir uns in den Hafen und erkundigen uns nach dem Ankerplatz unseres Schiffes. Während der Wartezeit vor dem Entern passieren aber noch zwei wundersame Dinge, die Knut einfädelt:

Erstens bemerkt er, daß das Schiff, welches neben unserm Schiff am Kai festgemacht ist, das Schiff ist, auf dem wir die Hinfahrt gemacht haben <52> und zweitens befreit er uns von den Fahrrädern bis München! Wie geht das: Knut stromert zwischen den wartenden Autos um das Schiff herum und hält Ausschau nach Wohnmobilen und Kombi-PKW mit deutschem Kennzeichen. Dann spricht er die Fahrer an und fragt, ob sie nicht Platz hätten für zwei Fahrräder, da es mit dem Transport bei der italienischen Bahn entscheidende Probleme gibt. Und nach kurzer Zeit hat er einen Deal ausgehandelt: Treffpunkt ist die Piano-Bar im Schiff. Ein Transporterfahrer brachte Möbel nach Griechenland und fährt leer nach München zurück. Mit dabei sind noch seine Familie sowie die eines Freundes. In der Bar einigen wir uns dann auf ein Treffen im Hafen von Triest. Wenn das alles klappt, steht einer genüßlichen Rückfahrt mit der Bahn ja nichts mehr im Wege. Die Überfahrt genießen wir entspannt, lassen die Reise noch einmal Revue passieren und veranstalten unter anderem zwei üppige Abendessen an Deck.

40. Tag (Fährfahrt nach Triest und Weiterreise ...

Die Fahrt verläuft ohne besondere Zwischenfälle und wir erreichen am Vormittag unseres 40. Tages Triest. Hier können wir dann in dem Transporter neben den Fahrrädern auch unser komplettes Gepäck verstauen! Nur einen meiner Karrimor-Rucksäcke bepacken wir mit dem Nötigsten. Knut verstaut wichtige Papiere noch in seiner Ortlieb Lenkertasche, die mit dem Trageriemen zur Umhängetasche wird. Wir machen einen Treffpunkt in München aus und wünschen uns gegenseitig eine gute Reise. Am Bahnhof erleben wir dann wieder das Desinteresse der Mitarbeiter an dem Kunden in Form von widersprüchlichen Aussagen und Informationen. Die Frage, ob wir denn einen Zuschlag benötigen für die Fahrt, wird verneint. Daraufhin besorge ich bei einer Bank per Eurocheck Geld. Als wir die Tickets dann kaufen und uns noch einmal die Verbindung beschreiben lassen, taucht plötzlich ein EuroCity von Verona nach München auf. Und der ist natürlich zuschlagpflichtig! Jetzt fehlen uns umgerechnet rund 20 DM und wir müssen den letzten Eurocheck einlösen. Die Fahrt beginnt dann um 12:12. Um 14:07 sind wir in Venedig Mestre, von wo es um 14:37 weitergeht nach Verona Porta Nuova. In Verona nutzen wir den Aufenthalt von 15:58 bis 17:21 für einen Versuch, unsere letzten Lira in ein Getränk zu verwandeln. Doch es ist Mittwoch und am Nachmittag haben alle Geschäfte zu. So reicht es noch für eine Dose Bier in der Bahnhofsgaststätte. Im EuroCity dann lassen wir uns für die Fahrt durch das Eisack-Tal hinauf zum Brenner durch Trento und an Mezzocorona vorbei über Bozen und Brixen im Speisewagen nieder. Hier genießen wir bei Essen und Trinken das von Sonne durchflutete Tal um so mehr nach dem Regenwetter mit Gewitter unserer ersten Zugetappen. Und während das Tal enger und die Berge um uns höher werden und mit dem Erreichen des Brenner-Passes die Sonne versinkt, kalkulieren wir eine schnelle Rückreise von Triest mit dem Rad nach Paderborn. Wir kommen auf sieben Tage, das Regenwetter am Anfang und von München ab nicht mitgerechnet. Erst in der heimischen Region soll uns das sonnige Spätsommerwetter in Warburg (Westfalen) zu einem verlängerten Zwischenstop einladen, den wir für einen Besuch eines alten Gasthauses am Hang gelegen zwischen Alt- und Neustadt nutzen und uns dort für ein frisch gezapftes Veltins-Pils entscheiden. Doch das wäre dann schon das Ende unserer Reise.

41. Tag (... nach München und Paderborn)

Wir kommen aber gerade erst in München an um 22:40 und suchen eine alte Freundin auf, bei der ich telefonisch aus Verona schon eine Übernachtung klargemacht habe. Am nächsten Morgen suchen wir die Wohnung des Transporterfahrers auf, bedanken uns mit einer Flasche Chianti Classico, nehmen unsere Räder samt Gepäck in strömendem Regen in Empfang und radeln durch München zum Ostbahnhof. Von dort nehmen wir den InterCity, der uns bis nach Kassel-Wilhelmshöhe bringen soll. Weiter geht es mit diversen Bummelzügen und der schon erwähnten Pause in Warburg (Westfalen) bis Paderborn. Dort kommen wir gegen Abend an und beenden somit unsere Reise!

Teil 8: Nachbemerkungen, Literatur- und Photoverzeichnis

The author ...

Hans Dietmar Jäger, *27.1.66 in Paderborn, Abitur am Gymnasium Theodorianum (85), Zivildienst in Bad Lippspringe, Mathematikstudium mit Maschinenbau und Informatik in Paderborn (seit 87).
Photographiert und bereist Europa und Nordamerika in ausgedehnten Touren (seit 82). Ein enfant terrible der heutigen Zeit, denn er genießt das Leben.

Knut und Hans Dietmar im Transputer-Labor der Uni Paderborn (Bild von Dirk Böhmer)

... and his companion.

Knut Barten, geb. 10.10.68 in Mainz, gelernter Dreher, seit 1989 Informatikstudium mit Nebenfach Psychologie in Paderborn.
Die Lust, andere Länder und Leute kennenzulernen und die Freude an der Reisephotographie wurde bisher durch zahlreiche Reisen durch Europa gestillt.

Literaturverzeichnis

(Die Nummerierung der Literatur folgt dem chronologischen Ablauf der Reise.)

[1] Die Generalkarte, Deutschland 9 1/200.000; 1993
[2] Die Generalkarte, Deutschland 34 1/200.000; 1993
[3] Michelin-Karte Nr. 970, Europa 1/3.000.000; 1992
[4] Michelin-Karte Nr. 984, Deutschland 1/750.000; 1990
[5] Michelin-Karte Nr. 989, Frankreich 1/1.000.000; 1985
[6] Michelin-Karte Nr. 412, Deutschland 1/400.000: Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Saarland; 1991
[7] Michelin-Karte Nr. 413, Deutschland 1/400.000: Bayern, Baden-Württemberg; 1990
[8] Michelin-Karte Nr. 427, Schweiz 1/400.000; 1989
[9] Die Generalkarte, Schweiz 1 1/200.000; 1993
[10] Die Generalkarte, Schweiz 3 1/200.000; 1990
[11] Michelin-Karte Nr. 988, Italien 1/1.000.000; 1990
[12] Michelin-Karte Nr. 428, Italien 1/400.000: Nord-West; 1990
[13] Die Generalkarte, Oberitalienische Seen 1/200.000; 1990
[14] GEO Special, Mailand; 1992
[15] Michelin-Karte Nr. 430, Italien 1/400.000: Mitte; 1991
[16] M.B.-Firenze, Toscana Carta Stradale 1/280.000
[17] MERIAN, Toskana; 1990
[18] Michelin-Karte Nr. 980, Griechenland 1/700.000; 1989
[19] EuroCart Euro-Regionalkarte, Griechenland 1/300.000; 1994
[20] Polyglott Reiseführer Griechenland; 1984
[21] Griechenland, Gondrom Verlag; 1987
[22] GEO Special, Griechenland; 1992
[23] Delfi, Ekdotike Athenon S.A. Athen; 1992
[24] MERIAN, Athen; 1981
[25] MERIAN, Peloponnes; 1983
[26] Epidauros, Delta-Verlag Athen; 1979
[27] Olympia, Verlag Olympiakes Ekdoseis Athen; 1989
[28] Michelin-Karte Nr. 429, Italien 1/400.000: Nord-Ost; 1990
[29] Michelin-Karte Nr. 426, Österreich 1/400.000; 1990
[30] Meyers Taschenlexikon in 24 Bänden; 1992
[31] Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden; 1986

Photoverzeichnis

(Die Nummerierung der Photos folgt dem chronologischen Ablauf der Reise.)

(Bildnummer Photograph Aufnahmedatum Land Ort Filmmaterial Kamera)

<1> Knut Barten 23.7.94 Italien Menaggio ? Nikon FM 2
<2> Hans Dietmar Jäger 21.8.94 Griechenland Olympia Fuji SG 200 Minox 35 GT
<3> Hans Dietmar Jäger 22.5.94 Deutschland Brocken Agfachrome Nikon FM 2
<4> ? 15.7.94 Deutschland Paderborn Fuji SG 200 Minox 35 GT
<5> Knut Barten 18.7.94 Deutschland Bruchsal Kodak HC 100 Nikon FM 2
<6> Hans Dietmar Jäger 19.7.94 Frankreich Rhein 3xFuji SG 200 Minox 35 GT
<7> Hans Dietmar Jäger 20.7.94 Schweiz Nottwil Fuji SG 200 Minox 35 GT
<8> Knut Barten 21.7.94 Schweiz Brunnen ? Nikon FM 2
<9> Hans Dietmar Jäger 21.7.94 Schweiz Axenstraße Fuji SG 200 Minox 35 GT
<10> Hans Dietmar Jäger 22.7.94 Schweiz St. Gotthard 2xFuji SG 200 Minox 35 GT
<11> Hans Dietmar Jäger 23.7.94 Italien Menaggio 4xFuji SG 200 Minox 35 GT
<12> Hans Dietmar Jäger 24.7.94 Italien Mailand Fuji SG 200 Minox 35 GT
<13> Hans Dietmar Jäger 24.7.94 Italien Mailand 2xFuji SG 200 Minox 35 GT
<14> Hans Dietmar Jäger 27.7.94 Italien Toskana Fuji SG 200 Minox 35 GT
<15> Hans Dietmar Jäger 28.7.94 Italien Florenz Fuji SG 200 Minox 35 GT
<16> Knut Barten ? Italien Florenz ? Nikon FM 2
<17> Knut Barten 30.7.94 Italien Toskana ? Nikon FM 2
<18> Knut Barten 30.7.94 Italien Toskana ? Nikon FM 2
<19> Hans Dietmar Jäger 13.7.92 Italien Siena Kodak Gold 200 Fuji HD-M
<20> Knut Barten ? Italien Siena Kodak HC 100 Nikon FM 2
<21> Hans Dietmar Jäger 1.8.94 Italien Arezzo Fuji SG 200 Minox 35 GT
<22> Hans Dietmar Jäger 2.8.94 Italien Apennin Fuji SG 200 Minox 35 GT
<23> Knut Barten 3.8.94 - Fährüberfahrt ? Nikon FM 2
<24> Hans Dietmar Jäger 6.8.94 Griechenland Ori Lakmos 2xFuji SG 200 Minox 35 GT
<25> Hans Dietmar Jäger 7.8.94 Griechenland Kastraki Fuji SG 200 Minox 35 GT
<26> Hans Dietmar Jäger 8.8.94 Griechenland Meteora Fuji SG 200 Minox 35 GT
<27> Hans Dietmar Jäger 22.7.92 Griechenland Meteora 2xKodak Gold 200 Fuji HD-M
<28> Knut Barten 9.8.94 Griechenland Lamia Kodak HC 100 Nikon FM 2
<29> Hans Dietmar Jäger 10.8.94 Griechenland Delfi 2xFuji SG 200 Minox 35 GT
<30> Hans Dietmar Jäger 26.9.84 Griechenland Delfi Agfa CT 64 Canon AE 1 program
<31> Hans Dietmar Jäger 27.9.84 Griechenland Delfi Agfa CT 200 Canon AE 1 program
<32> Hans Dietmar Jäger 12.7.94 Griechenland Ossios Loukas Fuji SG 200 Minox 35 GT
<33> Knut Barten 12.8.94 Griechenland Elikon Oros ? Nikon FM 2
<34> Knut Barten 12.8.94 Griechenland Elikon Oros Kodak HC 100 Nikon FM 2
<35> Knut Barten ? Griechenland Athen Fujichrome Nikon FM 2
<36> Hans Dietmar Jäger 14.8.94 Griechenland Athen Fuji SG 200 Minox 35 GT
<37> Hans Dietmar Jäger 28.9.84 Griechenland Athen Agfa CT 64 Canon AE 1 program
<38> Hans Dietmar Jäger 29.9.84 Griechenland Athen Agfa CT 64 Canon AE 1 program
<39> Knut Barten 15.8.94 Griechenland Kap Sounion ? Nikon FM 2
<40> Knut Barten 16.8.94 Griechenland Athen Fujichrome Nikon FM 2
<41> Hans Dietmar Jäger 16.8.94 Griechenland Athen Fuji SG 200 Minox 35 GT
<42> Knut Barten 17.8.94 Griechenland Palaiochora Kodak HC 100 Nikon FM 2
<43> Hans Dietmar Jäger 17.8.94 Griechenland Palaiochora Fuji SG 200 Minox 35 GT
<44> Knut Barten 17.8.94 Griechenland Epidauros ? Nikon FM 2
<45> Hans Dietmar Jäger 18.8.94 Griechenland Nauplia 3xFuji SG 200 Minox 35 GT
<46> Knut Barten 19.8.94 Griechenland Arkadien Kodak HC 100 Nikon FM 2
<47> Hans Dietmar Jäger 19.8.94 Griechenland Langadia Fuji SG 200 Minox 35 GT
<48> Knut Barten 20.8.94 Griechenland Arkadien ? Nikon FM 2
<49> Hans Dietmar Jäger 21.8.94 Griechenland Olympia Fuji SG 200 Minox 35 GT
<50> (Hans Dietmar Jäger 27.7.93 Griechenland Olympia Agfachrome 50 RS Minox 35 GT)
<51> Hans Dietmar Jäger 22.8.94 Griechenland Patras Kodak EC 100 Nikon FM 2
<52> Hans Dietmar Jäger 22.8.94 Griechenland Patras Fuji SG 200 Minox 35 GT
<53> Dirk Böhmer 7.3.95 Deutschland Paderborn Kamera an SiliconGraphics Indy

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