Wintertraining: Touristische Trainingswoche

A.S.: Traditionell über die Feiertage lege ich ein erstes Radtraining ein; pragmatisch ist die Auswahl des Reiseziels: In welche südliche Region Europas führt die Bahn einen Wagen für den Fahrradtransport mit? München-Rom ist da das beste Angebot, zumal mir die Wettervorhersage für diese Region (wetter.com vom 19.12.) in die Hände spielt:-)

Reisebericht: Rom - Abruzzen - Adria - Apennin - Florenz

Ich entscheide mich für die Fahrt von Rom nach Florenz (Rückfahrt mit dem gleichen Zug), wähle allerdings die Route über die Abruzzen und entlang der Adriaküste, da ich die gar nicht kenne. Planen tue ich 800 km in 7 Tagen, 1 Tag zur freien Verfügung ..., später dazu aber mehr!

Landkarte: Roma - Firenze (1,2 MB!)

Etappenübersicht

DatumEtappeStreckensumme
22.12.2011Rom - Tivoli - Subiaco: 6-16°C, 1002 Hm76-
23.12.2011Subiaco - Felittino - Capistrello: 0-12°C, 1846 Hm71147
24.12.2011Capistrello - Pescina - Abruzzen - Anversa degli Abruzzi - Torri de'Passeri - Pescara: -1-19°C, 866 Hm153300
25.12.2011Pescara - Atri - San Benedetto - Fermo: 8-12°C, 800 Hm129429
26.12.2011Fermo - Civitanova - Loreto - Ancona - Senigallia: 8-13°C, 569 Hm112541
27.12.2011Senigallia - Marotta - Fano: 10-12°C, 5 Hm36577
28.12.2011Fano - Fossambrone - Urbino - Apennin - Sansepolcro: 2-13°C, 1477 Hm114691
29.12.2011Sansepolcro - Anghiari - Arezzo - Florenz: -1-11°C, 1166 Hm127818

22.12.11: Start in Rom voller Euphorie

Morgens nach einer unruhigen Nacht in Rom angekommen, mit Startschwierigkeiten habe ich die Stadt direkt verlassen und mangels Alternativen auf der - vielbefahrenen - SS 5 Tivoli angesteuert. Hier habe ich mir die Hadrians Villa angesehen: Ein weitläufiger, imposanter Komplex! Die SS 5 will ich jetzt unter allen Umständen meiden, auch wenn das eine Fahrt in die Berge bedeutet. Die Monti Tiburtini und Monti Ruffi sind sehr schön und Verkehr gibt es so gut wie nicht, aber das Tageszeil Avenzzano kann ich mir abschminken! Ich schaffe es mit Hochgeschwindigkeit zum Dunkelwerden gerade bis Subiaco: Netter kleiner Ort, ich komme fast privat unter ...

23.12.11: Monti Simbruini, Berge der Leiden

Morgens frühstücke ich noch in der Bar meiner Unterkunft, Bomba con Crema (unser "Berliner"). Nach kurzer Zeit und schon ansteigendem Gelände erreiche ich den Parco Regionale dei Monti Simbruini; über mir taucht dabei die Abtei Santa Scolastica auf. Weiter dem Tal der Aniene folgend ergibt sich dann ein schöner Rückblick auf das an den Felsen klebende Kloster San Benedetto: Die Klöster gehen auf das Wirken eines Benedikt von Nursia zurück, auf den die Benediktinermönche gründen. So schön die Gegend auch ist, so wenig komme ich voran: Meine Form liegt darnieder! So strebe ich wenigstens das gestrige Etappenziel Avenzzano an. Der Aniene folgend steige ich an Trevi nel Lazio vorbei weiter an auf Filettino, wo ich erstmal eine Pause einlegen muß! An einer (ehem.?) Wintersportregion vorbei erreiche ich den Valico di Serra Sant'Antonio auf 1.606 m Höhe. Und jetzt wird mir klar, warum es keinen Verkehr mehr gab ab Filettino: Die Abfahrt ist gesperrt (strada chiusa) und nicht geräumt! (Die geräumte Auffahrt diente nur der Erreichbarkeit der Skistation Campo Staffi!) So mache ich von meinen alten Triathlonqualitäten Gebrauch (Verlassen der Wechselzone nach dem Schwimmen) und nehme die 20 km-Abfahrt nach Capistrello in Angriff. Es ergibt sich eine grandiose Aussicht auf Capistrello und die Ebene Piana del Fucino sowie die dahinter liegenden Abruzzen! Aber ca. 10 km ist an Radfahren nicht zu denken. So erreiche ich gerade noch vor Dunkelwerden den Ort und komme sehr komfortabel im ***-Hotel unter: Aber vom ersten Etappenziel Avenzzano bin ich immer noch Kilometer entfernt! Den Appetit lasse ich mir dadurch aber nicht vermiesen:-)

24.12.11: Aus den Bergen über die Abruzzen an's Meer

Capistrello verlasse ich verbotenerweise über die für Fahrräder gesperrte S 82: Das spart mit rund 10 km Strecke und - durch den Tunnel - den Bergrücken. Die Ebene Piana del Fucino durchquere ich und bin von den schneebedeckten Bergrücken der Abruzzen umgeben. Die SS 5 meide ich - obwohl sie durch den Parco Regionale Velino-Sirente führt - und folge nach Pescina einer Schlucht, die mich zum Hauptkamm der Abruzzen führt (Rückblick auf die Auffahrt). Mit 1228 m erreiche ich den Scheitel in einem kurzen Tunnel; es gibt gar keinen Verkehr auf dieser Nebenstrecke, der Paß ist schneefrei und gut zu fahren. Nach der Tunneldurchfahrt ergibt sich ein Blick auf die Abfahrt durch grandiose Bergwelt der Abruzzen! An Cocullo fahre ich vorbei und kehre im kleinen Ort Anversa degli Abruzzi (Rückblick) ein: Ein netter Ort inmitten der Bergwelt! Weiter auf Nebenstrecken lasse ich Sulmona rechts liegen und steuere mit Hochgeschwindigkeit - bei 19°C kurzzeitig im Kurzarmtrikot! - auf der SS 5 in Richtung Torre de'Passeri, denn hier liegen die Reste des Klosters San Clemente a Casauria in Form der Abteikirche: Das Kloster wurde 871 gestiftet und mehrfach zerstört (mal 910 von den Sarazenen, mal 1076 von den Normannen, mal 1348 von einem Erdbeben). Die Vorhalle mit seinen Bronzetüren ist eine der ältesten Italiens, im Innern kontrastieren die Schlichtheit der Zisterzienser und das Dekor der Kanzel von ca. 1180. Das Tagesziel soll jetzt Chieti heißen; doch da die Stadt abseits der direkten Route nach Pescara und zudem auf einem Hügel liegt, entscheide ich mich für die Weiterfahrt nach Pescara an's Meer. Diese Stadt bietet nichts, so gehe ich direkt zum gemütlichen Teil über. (Die Nacht regnet es und ... (wetteronline.de vom 25.12.)

25.12.11: Langweilige Küste mit Abstechern in's Landesinnere

... vormittags ist es bewölkt.) Ich lasse mir das ***-Frühstücksbuffet reichlich schmecken (es gibt sogar Käse und Rührei!) bis der Regen aufhört. (Für Ancona ist eh schönes Wetter angesagt heute. wetteronline.de vom 25.12.) Gegen 10 Uhr fahre ich los und folge dem Ratschlag des grünen Michelin-Guides: Ich verlasse die Küste und steuere Atri und hier die Kathedrale mit seinem schlichten Turm an: Sie wurde im 13. und 14. Jh. erbaut und spiegelt den Übergang von Romanik zur Gotik wider. Innen findet eine der Jahreszeit typischen Feierlichkeiten statt, so daß ich mir draußen die eindrucksvollen Seitenportale ansehe. Weiter folge ich der Küste nordwärts, wobei ich Straßen nahe am Meer den Vorzug gegenüber der SS 16 gebe, und werfe auch mal einen Blick auf das Adriatische Meer, welches recht aufgewühlt scheint. Da ich von Zeitplan etwas zurückliege - und mein Ziel Florenz noch nicht aufgegeben habe! - gebe ich hier im Flachen Gas: Zuerst steuere ich San Benedetto del Tronto an; hier ist's aber nicht sehr einladend. Also fahre ich weiter und peile Porto San Giorgio an. Doch Fermo, eine Michelin-Empfehlung, will ich nicht links liegen lassen! So entscheide ich mich bei schon einsetzender Dunkelheit für die abschließenden 8 km in's Landesinnere und zusätzlichen 350 Hm: Ohne zu wissen, was mich erwartet, steige ich in der Stadt immer weiter an; vieles ist wegen dem Feiertag dunkel, so erreiche ich die Altstadt (centro storico) und finde direkt am Eingang ein Hotel mit phantastischer Lage (später dazu mehr)! Und es zeigt sich mal wieder: Risikobereitschaft mit Augemaß wird belohnt;-) So kann ich 129 km und ca. 800 Hm notieren und komme noch in den Genuß vom Rest eines Kammerkonzertes im Sala dei Ritratti im Palazzo del Priori (mit Stücken von Nino Rota aus 'Il Gattopardo')!

26.12.11: Fortsetzung Vortag

Heute bietet sich vom Balkon ein toller Blick in die Monti Sibillini des Apennin (den ich auch vom Frühstückstisch genieße)! Nach einem Rundgang durch die Altstadt mache ich mich auf die Abfahrt zur Küste und folge dieser nach Civitanova, wo ich mir die Fischereiflotte im Hafen ansehe. An dem Lido della Polizia und Lido del Carabiniere vorbei verlasse ich bei Porto Recenati wieder die Küste und fahre auf Loreto: Hier sehe ich mir die Basilika an. Diese wirkt - umringt von kleinen Häusern - extrem mächtig und festungsartig! Ihre Fassade ist ehern nüchterne aber harmonisch. Im Innern werden die Fresken der Sakristeien gelobt; doch mir fallen eher die Intarsienarbeiten sowie der alte Fliesenfußboden auf. Dann wende ich mich der Santa Casa in der Vierung zu, welche eine sog. Schwarze Madonna enthält. Die Basilika wurde vom 15. bis 16. Jh. erbaut und ist Vorbild für viele andere sog. Loreto-Kapellen. Ab jetzt ziehen leichte Wolken auf und ich fahre auf einer Nebenstrecke durch die Monti Conero (Rückblick auf die Küste) - die dem Rosso Conero dem Namen geben - auf Ancona: Hier will ich eigentlich übernachten, doch die Stadt ist so häßlich und abweisend, daß ich mich sofort für eine Weiterfahrt entschließe! Mit jetzt heftigem Gegenwind komme ich unbeschadet aber nur bis kurz vor Senigallia: Im Hinterrad reißt eine Speiche meines Shamal:-( Ich öffne die Bremse und rolle bis in die Stadt, nehme mir ein Hotel am Meer und sehe mir das interessante und umfangreiche centro storico (Palazzo Comunale) an.

27.12.11: Ruhetag, zwangsweise

Zwei Radläden in Senigallia haben zu, in einem merkt der Mechaniker gar nicht, daß es mit einem normalen Speichenschlüssel nicht getan ist; ich bedanke mich und verabschiede mich. Was tun? Radtour abbrechen und mit dem Zug direkt nach Florenz fahren? Aber Urbino will ich mir schon ansehen! Ohne Reparatur ist es mir aber zu ungewiß nicht an einer Bahnlinie entlang zu fahren. Ich rolle also langsam los in Richtung Fano (an der Küste der Bahnlinie folgend) und frage den nächsten der zahlreichen Rennradler: Er nimmt mich 4 km im Windschatten mit nach Marotta, wo er einen guten Mechaniker kennt. Dieser allerding kann auch nicht helfen und sagt: Wenn einer helfen kann, dann Eusebi, in Fano! Also nehme ich die nächsten 10 km unter die Räder, vornehmlich wieder am Meer entlang. In Fano angekommen, hat Eusebi heute noch zu! Keiner der anderen Händler kann helfen, was also tun? Ich entscheide mich für eine Zwischenübernachtung und Besichtigung von Fano. Ich vertraue auf den Mechaniker aus Marotta und Eusebi! In der Nähe der Altstadt und des Canale Albani, der zum Hafen geht, nehme ich ein Hotel. Bei meinem Rundgang sehe ich mir zuerst den Arco d'Augusto aus dem Jahre 9 an (weitere mittelalterliche und neuzeitliche Befestigungsanlagen sind auch noch fast vollständig erhalten!), dann den Corte Malatestiana, ein Gebäudekomplex aus der Renaissance (15. Jh.), bei dem ich aber den gepriesenen Gartenhof vermisse. Nachmittags lasse ich mir dann u.a. einen wirklich vorzüglichen Meeresfrüchtesalat schmecken, bummel am Hafen entlang und lande auf der Piazza XX. Settembre: Hier gibt es über die Feiertage verschiedene Kinderbelustigungen, u. a. diesen Kicker für 2 x 11 Personen: Ein riesen Gaudi ist das!

28.12.11: Endlich wieder richtig Radfahren, auf nach Urbino

Morgens fahre ich sofort zu Eusebi ..., und der Mechaniker nimmt sich mein Rad sofort beherzt vor: Tauscht die Speiche, zentriert das Hinterrad und füllt Luft nach! Ich bedanke mich und habe mir schon zwei Alternativen zurecht gelegt: a) fahre ich heute nur nach Urbino (Weltkulturerbe!) und nehme morgen ab Arezzo den Zug nach Florenz oder b) schaue mir Urbino an, fahre aber heute schon weiter nach Sansepolcro, um tags drauf Florenz zu erreichen. Entscheiden will ich in Urbino, je nachdem wie es läuft. Vor der Abfahrt aus Fano sehe ich mir noch die malatestianische Burg an und erreiche über Fossabrone (nett!) Urbino. Hier fahre ich erstmal um die Stadt herum und befinde mich unterhalb des Palazzo ducale: Dieser stellt ein Meisterwerk an Harmonie dar und galt als idealer fürstlicher Palast. Die Portale, verzierten Türeingänge und Fenstergewände stechen besonders hervor. Ich verlasse Urbino durch das Valbona-Tor (mit Blick auf Turm und Kuppel vom Dom) und werfe noch einen Blick auf Stadtbefestigung und unzugängliches Bergland. Bei der Weiterfahrt ergeben sich immer wieder schöne Panoramen; ab Urbania folge ich allerdings ca. 20 km bis Borgo Pace einem Hochtal, wo ich entsprechend schnell voran komme. Jetzt folgen gut 10 km Auffahrt zum Bocca Trabaria auf 1050 m Höhe. Über das Tal des Tiber ergibt sich jetzt bei der Abfahrt ein Blick in die abendliche toskanische Landschaft. Mit 40 - 50 km/h geht es die 15 km hinunter, dann 5 km flach nach Sansepolcro, wo ich die erste Albergo nehme. Abends gehe ich an der alten Medici-Festung zu einem skurrilen Restaurant, wo ich herrliches Risotto esse!

29.12.11: Durch das Gebiet nach Florenz

Morgens sehe ich mir noch den Piazza Torre di Berta an. Dann quere ich das Tibertal bei Nebel mit der tiefsten Temperatur der ganzen Reise und steige hinauf nach Anghiari: Hier sehe ich mir die versteckt im centro storico liegende asymmetrische Chiesa di Badia aus dem 15. Jh. mit ihrer 'madonna con bambino' mit Renaissance-Dekor an. Über den Valico di Scheggia erreiche ich Arezzo - wo ich schon öfters gewesen bin - und folge dem Valdarno in Abstand zum Fluß: Viel verspreche ich mir von diesem eher der kurzen Strecke und dem Zeitplan geschuldeten Weg nicht, doch bin ich positiv überrascht! Die Nebenstraße verläuft unterhalb des Gebirgszuges des Pratomagno und schlängelt sich vorbei an Weinbergen. Mit einer Chianti-Pause erreiche ich Florenz, parke das Rad in der Gepäckaufbewahrung des Bahnhofs, wo ich mich auch umziehen kann, und gehe direkt zu meinem Lieblingsplatz an der Chiesa Santa Spirito, wo ich auch den Abend verbringe. Auf dem Rückweg zum Bahnhof erstrahlt die Ponte Vecchio in festlichem Glanz. Die Rückfahrt im 4er-Abteil ist sehr angenehm, wir erreichen pünktlich München, so daß ich mit dem nächsten ICE Frankfurt gegen 10:00 erreiche.

Fazit: Glück muß der Mensch haben

Zu Anfang habe ich gezweifelt, ob Mittelitalien zum Jahreswechsel eine gute Wahl ist, denn der Dezember und Januar sind die regenreichsten Monate! Doch die langfristige Wettervorhersage (wetter.com vom 19.12.) hat sich bewahrheitet: Eine verregnete Nacht, einen Vormittag mit regennasser Fahrbahn und zwei Nachmittage mit leichter Bewölkung; da kann man nicht meckern:-) Die Temperaturen lagen zwischen -1 und 19°C, im Mittel um 10°C. Die Abruzzen haben mit ihren kleinen ursprünglichen Orten Lust auf Mehr gemacht genau wie ihre kleinen wenig befahrenen Nebenstraßen.

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